Der Jännerblues klopft zuverlässig in der zweiten Woche des neuen Jahres an. Es ist zwar die Hälfte des Jänners geschafft, die zweite Hälfte lässt sich noch gut mir Arbeit zupflastern, aber es folgt dann noch der Februar, der noch staubiger im Kalender steht, aber schon mit längeren Tagen lockt. Ab März darf dann der Frühling kommen, der sich aber bestimmt wieder bitten lässt und unsere Geduld ausreizt.
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Die Tage beginnen früh. Ich verlasse noch vor Tagesanbruch das Haus, es ist noch finster. Der Tag ist gefüllt mit viel Arbeit, die mich anstrengt. Wenn ich am Abend nach Hause komme, ist es finster. Für Sport fühle ich mich meistens zu müde. Neuerdings gehe ich aber regelmäßig ins „Gym“. Dabei werden die tageweise abgestimmten Push- und Pull-Trainingspläne der Krautundrüben-Söhne nicht wirklich eingehalten. In diesem Sinne wird krautundrübenmäßig gepusht und gepullt. Ich mag mein „Gym“. Wenn die Übungen richtig langweilig werden, kann man Leute beobachten. Es gibt viele Männer zwischen 25 und 30. Die meisten sind sehr auffällig tätowiert mit kurz geschorenen Haaren, lockenlos und scheitellos. Die Tattoos ziehen sich großflächig über die muskelbepackten Waden, Arme oder den Rücken. Ab und zu ist auch der Hals tätowiert. Ich beobachte aber auch junge Frauen. Sie tragen meistens bauchfreie Sporttops, um den durchtrainierten Bauch zu zeigen. In den meisten Fällen sind auch die Frauen tätowiert. Tattoos gehören offenbar zum Gym-Style. Ich mache meine Pull- und Push-Übungen für den Oberkörper und denke, dass ich hier ohne Tattoo und bauchfreies Sporttop so etwas wie eine Außenseiterin bin. In diesem Fall gefällt mir meine Rolle. Das Gewicht wird nochmals um 5 kg erhöht, es soll hier ja nicht umsonst sein. Die Musik ist oft laut und je nach Publikum wird man mit Metal oder Robby Williams beschallt. Ich ziehe mich in den Cardio-Bereich zurück, der verhältnismäßig leer ist und freue mich, dass mein bevorzugtes Laufband frei ist. Ich entscheide mich heute für ein Intervalltraining und bin glücklich über die vertrauten Bewegungsabläufe, als ich langsam zu laufen beginne.
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Der Jännerblues führt auch dazu, dass ich nicht gerne zu Hause bin, sondern raus unter die Leute möchte. Eine glückliche Fügung führt mich ins Burgtheater. Herr Krautundrübe und ich fahren in unsere einzige große Stadt, um das Stück „Wie es euch gefällt“ anzusehen. Ich bin gespannt auf die Inszenierung des Shakespeare-Stücks mit den lobenden Kritiken. Nach einer Krise des Theaters (nach der Pandemie nämlich) sieht es nicht aus. Es sind alle Plätze besetzt. Das Publikum ist bunt gemischt – von den typischen Hofrats-Abonnent:innen, sogar Familien mit Kindern sowie Prominenz, bis zu den Student:innen und „Normalos“ wie wir zwei Krautundrüben ist alles vertreten. Das Stück wird von Tina Lanik inszeniert, die bereits im gesamtdeutschsprachigen Raum umtriebig gewesen ist und bekannt ist für moderne Inszenierungen bekannter Theaterstücke. (Frage:) Wie viel Shakespeare bleibt in einer Inszenierung aus dem Jahr 2022 über? (Antwort:) Wenn man bedenkt, dass die Komödie gegen 1599 entstanden ist, vermutlich nicht mehr viel.
Angesichts eines ganz in Rosarot, Fuchsia und Violett gehaltenen Kostümbilds von Aino Laberenz darf man dem Abend die Message „Think pink!“ unterstellen, also alles ein wenig lockerer zu sehen und auf Konventionen zu pfeifen. Zum Beispiel nicht gleich auszurasten, wenn ein Mann ein Kleid trägt. Zumal es sich dabei ja um treuestes elisabethanisches Gebaren handelt. (M. Affenzeller in „Der Standard“ vom 18.12.2022)
Der Mann im violetten Rüschenkleid ist kein anderer als der junge Musiker Oskar Haag. Dank seiner musikalischen Einlagen, die sich bestens ins Stück einfügen, gewinnt der Theaterabend zusätzlich. Und sonst? Egal, wie viel Shakespeare in dem Stück noch steckt, es ist großartig!
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Der mit seinen 17 Jahren wirklich sehr junge Oskar Haag beeindruckt nicht nur im Theater, sondern auch mit seinem Hit „Stargazing„.
Frau Krautundrübe