Ich würde zwar gerne die Weihnachtsroutine ändern, nämlich in Richtung mehr Nachhaltigkeit, Bescheidenheit, Ruhe und Frischlufttanken, die Umsetzung scheint allerdings zu scheitern. Der Christbaum ist noch größer, die Tische werden sich an fünf „Weihnachtstagen“ dank Köstlichkeiten biegen, die „enge“ Familie ist auf 25 Personen angewachsen, das Klavier ist frisch gestimmt und an Frischlufttanken ist frühestens im neuen Jahr zu denken.
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Ich höre im Radio einen Beitrag von Tove Jansson und den Mumins. Bei den Krautundrüben-Kindern kamen die Mumins nicht wirklich an. Ich überlege, ob es an mir lag, da ich auch nie ein Mumins-Vorlesefan wurde. Mit den Mumins verbinde ich auch die Geggis von Mira Lobe, deren Bücher ich eigentlich sehr schätze, die aber nie bei mir – und vielleicht aus diesem Grund auch nicht bei den Krautundrübenkindern – ankamen. Mein Unbehagen ist möglicherwiese darauf zurück zu führen, dass mir bisher nicht bewusst war, dass die Bücher um 1945 geschrieben wurden. Die Mumin-Trollfamilie, die sich gelassen gegenüber den Widrigkeiten des Lebens zeigen, die eine „Alles-wird-gut“- Mentalität vermitteln, und das durch lauter Individualisten und verschrobenen Wesen wie dem Mumin-Vater, der Mumin-Mutter und dem Schnupferich, lehnt sich an ein humanistisches Weltbild an. Die Muminfamilie, die Tove Janssen beschreibt, ist schlichtweg glücklich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie haben es gemütlich miteinander und gewähren sich volle Freiheit, die Freiheit nämlich auch allein zu sein, auf eigene Art zu denken, zu fühlen und eigene Geheimnisse zu haben, bis zu dem Moment, wo sie bereit sind, sie zu teilen, keiner verursacht je dem anderen ein schlechtes Gewissen. Es wird eine Idylle beschrieben, die frei von jeglicher Niedlichkeit ist und sich in ständigem Wechsel von Aufbruch und Geborgenheit sowie Lebenslust und Melancholie befindet. Die Familie als kein starrer Verbund, leistet aber immerwährenden Rückhalt. Dieser Ansatz gefällt mir und unter diesem Aspekt finde ich die Mumins fast unterbewertet. Das 1968 entstandene Buch von Tove Jansson Die Tochter des Bildhauers steht jedenfalls auf meiner Wunschliste.
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Lichtmäßig geht es wieder aufwärts. Morgen soll die Sonne genau 1 Minute länger scheinen, allerdings ist der Himmel so wolkenverhangen, sogar leichtes Schneegruseln habe ich bemerkt. Ich habe im letzten Jahr wohl ausreichend Sonne getankt. Ich nehme die Sonne und blauen Himmel zwar als angenehm wahr, wobei ich mich diesen Winter gerne in die Dunkelheit verkrieche und das Finsterwerden als sehr wohltuend empfinde, da sich das Draußen nicht anbietet und ich mich ganz auf das Drinnen beschränken kann. Ich sehe ein Bild der Luzia mit dem Lichterkranz auf dem Kopf, wie es in Skandinavien am 13. Dezember gefeiert wird. Dort wird Luzia mit einem alten Lichterfest verbunden, das die bevorstehende Wintersonnenwende feiert. Prozessionen mit Kerzen gedenken der frühchristlichen Märtyrerin. Die heilige Lucia ist im sizilianischen Syracus geboren, angeblich im 4. Jahrhundert nach Christus. Sie weigerte sich zu heiraten und wurde deshalb von ihren Freiern gefoltert und vergewaltigt. Als Zeichen ihres Widerstands schickte sie einem Freier ihre herausgerissenen Augäpfel – so wird sie auch bildlich oft in Kirchen dargestellt – woraufhin ihr die Mutter Gottes noch schönere Augen bescherte. Gestorben ist sie letztlich durch ein Schwert, das ihr in die Kehle gerammt wurde. Als Lichtbringende wird sie bezeichnet, da sie nachts in die Katakomben in Syracus den Christen bei ihren geheimen Treffen Lebensmittel brachte. Damit sie auch beide Hände zum Tragen der Lebensmittel frei habe und sich durch die dunklen Katakombengänge bewegen konnte, setzte sie sich einen Kranz mit Kerzen auf den Kopf.
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Gegenwärtig beschäftigt das Martyrium der Französin Gisele Pelicot. Vieles dazu gesagt im STANDARD von Nils Pickert Der Fall Pelicot: Unfassbar? Monströs?
„Since the start of the trial, much has been made of the need to find an element that ties all these men together.
A common denominator – beside the fact that all the men went to the Pelicots‘ of their own free will – „remains nowhere to be found,“ Gisèle’s own lawyers have said.
But there is one factor all the defendants indisputably have in common: they all made the conscious choice not to go to the police.
Firefighter Jacques C, 73, said he had considered it but „then life just carried on“, while electrician Patrice N, 55, said he „didn’t want to waste the whole day at the police station“.
In the early days of the trial, Gisèle Pelicot was asked whether she thought it was legitimate to think the men had been manipulated by her husband.
She shook her head: „They didn’t rape me with a gun to their heads. They raped me in full conscience.“
Almost as an afterthought, she asked: „Why didn’t they go to the police? Even an anonymous phone call could have saved my life.“
„But not one did,“ she said after a pause. „Not a single one of them.“