Strickitis

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Ich habe es nicht mehr so mit den vorweihnachtlichen Prozeduren. Ich pausiere dieses Jahr. Die selbstgebastelten Deko-Engelchen der einstigen Krautundrüben-Kindergartenkinder bleiben in der Schachtel. Es lockt mich heuer nicht, was sicher auch an der nicht enden wollenden Arbeit und den damit verbundenen Umständen liegen mag. Jedenfalls verbringe ich viel Zeit in meinem neuen Büro, das ich eigentlich sehr mag. Ich habe dort einen schönen ebenerdigen Ausblick. Das heißt, meine Blicke können abschweifen und bleiben hängen bei vorbeiziehenden Kindergartengruppen, Studierenden, die zu ihren Kursen und Vorlesungen gehen oder kommen, und den unterschiedlichsten Hunderassen, die in die Wiese vor meinem Fenster pinkeln – der eine oder andere Hundebesitzer, der es seinem Hund gleichtun möchte und an die Wand unter meinem Fenster uriniert, wird von mir durch lautes Klatschen und Klopfen erschreckt und verscheucht. Die erschrockenen und verduzten Blicke belustigen mich und ich erhebe auch gerne zusätzlich drohend den Zeigefinger. Danach kann wieder gut und konzentriert weiter gearbeitet werden.

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Meine Abende verbringe ich seit letzter Woche nicht mehr vorm Laptop, sondern beim Stricken. Meine ersten Strickerfahrungen machte ich bereits als Siebenjährige beim Handarbeitsunterricht in der Volksschule. Wir mussten ein Krokodil stricken, was mir große Schwierigkeiten in puncto Koordination bereitete. Nach dem ersten Krokodil und einem gestrickten Teddybären war meine Strickleidenschaft in den Startlöchern. Ich liebte es in den kleinen Handarbeitsladen in meinem Heimatort zu gehen, der vollgestopft mit bunten Wollknäueln war. Die Besitzerin war eine sehr kleine Frau, die sich aus Platzgründen hinter dem Verkaufspult aufhalten musste. Den Laden gibt es lange nicht mehr. Auch weil das Stricken seit den 2000ern aufgrund der Schwemme von Billigkleidung stark rückläufig war. Ich habe seinerzeit als Jugendliche und junge Erwachsene aufwendige Pullis für die ganze Familie gestrickt. Das letzte Strickstück war ein kleines Pullöverchen für das erste Krautundrüben-Kind.

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Nun ist Stricken wieder angesagt. Man strickt gegen Gewalt an Frauen, für den Frieden in der Ukraine, gegen Donald Trump und für das Klima. Unterschiedliche Organisationen rufen dazu zum gemeinsamen Stricken auf, woran sich auch der Krautundrübensohn beteiligt, der mir ein gestricktes Etwas vor die Nase hält und meint, dass er sogar im Zug von älteren und jüngeren Damen wohlwollende Blicke erntet. Ich stricke Schals nach der Youtube-Anleitung, die mir meine Studentin via WhatsApp geschickt hat. Dabei muss ich feststellen, dass ich ordentlich aus der Übung bin. Das Ergebnis zeigt den guten Willen an, ist aber weit entfernt von Können! Löcher durch von der Nadel gepurzelte Maschen und ungleichmäßiger Fadenzug geben dem Schal ein unregelmäßiges Erscheinungsbild, was mich unzufrieden macht.

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Mein Ehrgeiz ist jedenfalls erwacht und ich möchte mich ein weiteres Mal am Stricken versuchen. So gehe ich nach verrichteter Arbeit in die Innenstadt, die im Lichterglanz erstrahlt. Es ist sehr kalt, winterlich und es kommt tatsächlich die Spur eines vorweihnachtlichen Glücksgefühls auf. Ich gehe direkt in den Wollladen mit dem bezeichnenden Namen „Glücksfaden“. Das Geschäft ist winzig-klein und voll mit bunten Wollknäueln. Ich schaue mich ein wenig um und entscheide mich für zwei kleine Wollknäuel, für die ich ein kleines Vermögen bezahle. Ich bummle noch ein wenig durch die Stadt, wo bereits eine Glühweinwolke die vielen Menschen vernebelt und summe ein Jingle bell, jingle bell, jingle bell rock, jingle bells swing and jingle bells ring, snowin‘ and blowin‘ up bushels of fun, now the jingle hop has begun…

In der Sporgasse der Grazer Altstadt

 

Der Christbaum am Grazer Hauptplatz

Frau Krautundrübe

 

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