Den Krampus mag ich nicht. Diese leisen Bewegungen, dann plötzliches Kettenrasseln und ein lautes Tönen reichen, um mich in Angst und Schrecken zu versetzen. Nicht, dass sich ein Krampus noch wirklich für mich interessieren würde, hat sich die Rute seit meiner Jugendzeit in mich eingebrannt.
Dem Nikolaus begegne ich bislang eher gleichgültig, wobei es dieses Jahr im Hause Krautundrübe erstmals kein Nikoloteller vor der Türe gab, und es fiel niemandem auf. Manchmal muss man Rituale, die nur dem eigenen Wohlbefinden taugen, gar nicht so sehr hochhalten. Vielleicht sind die Krautundrüben-Kinder auch froh, dass sie endlich kein „Lustig, lustig trallalala, bald ist Nikolo-Abend da“ mehr singen müssen, wobei das das einzige Advent- und Weihnachtslied war, wo es beim Refrain richtig abging bis zur letzten Strophe „Niklaus war ein guter Mann, dem man nicht genug danken kann, lustig, lustig….“.
Heute am Morgen lese ich in der Zeitung über die Kinder, die sich nach der Corona-Zeit wieder auf den Nikolo freuen (Ich frage jetzt: „Echt?“). Jedenfalls lese ich die Überschrift einer Kolumne „Wer war Nikolaus?“ Genaue Fakten fehlen, man denkt, dass er 280 nach Christus an der türkischen Südküste gelebt hat. In Kinderbüchern liest man, dass der Nikolaus verschiedene gute Taten vollbracht hat. Er selbst stammt aus einer sehr wohlhabenden Familie. Er soll zum Beispiel drei Mädchen, die vom Vater hätten zur Prostitution verkauft werden sollen, gerettet haben, indem er ihnen heimlich in der Nacht Goldstücke zuwarf. Er soll auch Schiffsladungen mit Getreide gerettet haben und Korn wundersam vermehrt haben. Als er 19 Jahre alt war, sollen seine Eltern an der Pest gestorben sein. Das ererbte Vermögen verschenkte er an die Armen. Er ließ sich kurz darauf zum Priester weihen und wurde Abt eines Klosters in Myra an der türkischen Südküste. Er ist der Schutzpatron der Kinder und der Seeleute. Was mir allerdings neu war, dass der amerikanische Santa Claus tatsächlich aus dem Heiligen Nikolaus entstanden sein soll, dass der 6. Dezember und der Nikolaustag bis zu Martin Luther das Geschenkefest für die Kinder war und von ihm dann auf den Tag der Christi Geburt verlegt wurde.
Geboren soll Nikolaus im Jahr 279 oder 280 nach Christus in Patara sein. Patara liegt im kleinasiatischen Lykien an der türkischen Südküste, wo es mich beruflich schon öfter hin verschlagen hat. Patara ist einer meiner Highlights in der Türkei: Kilometerlanger Sandstrand, Schutzgebiet für die Caretta-Schildkröte, familiär geführte Hotels und die Medusa Bar. Außerdem führt der lykische Weg, ein Weitwanderweg entlang der lykischen Küste im Süden der Türkei, dort vorbei. Das beeindruckendste für mich ist die antike Stadt Patara mit den sehenswerten Ruinen, wo unser Nikolaus angeblich geboren ist. Er stammte aus einer vermögenden Familie, die bestimmt in einer der nobleren Viertel von Patara, wahrscheinlich in einem reich ausgestatteten Peristylhaus lebten. Die antike Stadt Patara war während der römischen Kaiserzeit auch eine große Hafenstadt. Der Reichtum der Familie von Nikolaus basierte sicherlich auf den guten Möglichkeiten für Handel. Der Leuchtturm aus der römischen Kaiserzeit zeugt noch von der Bedeutung der Stadt. Die besten Lehrer werden Nikolaus gelehrt haben, sie werden unzählige Komödien im Theater angesehen haben. Er wird an vielen Empfängen teilgenommen haben und er hätte voraussichtlich auch den Weg eines Kaufmanns eingeschlagen. Was veranlasste Nikolaus , sich aber für die Armen einzusetzen? War es nur der Tod seiner Eltern, die er als 19-jähriger an der Pest sterbend verlor? Waren es die armen Leute, die in der prachtvollen Stadt Patara lebten? Waren es die plötzlichen Katastrophen, die auch ihn betrafen und vielleicht zum Denken anregten? Oder war es das sich ausbreitende Christentum?
Im Jahr 303 leitet Kaiser Diokletian die letzte grausame Christenverfolgung ein, was auch den Nikolaus trifft, der eingesperrt und gefoltert wird. Nach dem von Konstantin dem Großen einberufenen Konzil von Nicäa ist die Einheit der Amtskirche und ein Glaubensbekenntnis, das bis heute gilt, beschlossen. Nikolaus wird frei gelassen, kehrt heim und stirbt als Held am 6. Dezember. Überliefert ist, dass er gerne mit seinen Fäusten kämpfte und raufte. Das Todesjahr weiß man nicht, aber den Todestag jedes Kind. Sein Grab in Myra wird zum Pilgerziel, das von den eindringenden türkischen Seldschuken angegriffen wird. 1087 retten schließlich italienische Seefahrer die Gebeine und nehmen sie mit nach Italien, nach Bari, wo man die Kirche Basilika San Nicola errichtete. 1953 genehmigte der Vatikan die erste wissenschaftliche Untersuchung der Reliquien. Die Ergebnisse ergaben einen bis zu 1,60 m großen Mann, mit einem eher gedrungenen Körper, kantigen Gesicht und großer Nase. Mittlerweile gab es noch weitere Untersuchungen und sogar eine Computeranimation des Schädels und des Gesichts. Die romantische Figur des Heiligen Nikolaus, hochgewachsen, mit Rauschebart, gütigem Antlitz, kann so also nicht bestätigt werden. Aber wer mag das schon so genau wissen?
Auf keinem Fall wollen wir die uns bekannte und vertraute Figur des gütigen heiligen Nikolaus mit der Bischofsmütze, denn nur die unterscheidet ihn am ersten Blick vom Santa Claus, den goldenen Bischofsstab und die reich bestickte Mitra gegen einen kleinen, gestockten Raufbold mit Boxernase austauschen. In Russland ist Nikolaus Nationalheiliger und ein russisches Sprichwort besagt: „Wenn Gott jemals stirbt, machen wir Nikolaus zu seinem Nachfolger.“