Der Tag beginnt mit Homeoffice wegen Reparaturarbeiten im Haus. Der Heizungstechniker beraumt sein Kommen zwischen 9 Uhr und 14 Uhr an, weil er es nicht genau sagen kann. In diesem Fall, weil er es nicht genau sagen kann, bin ich dementsprechend vorsichtig, ob er letztlich kommen wird, der Heizungstechniker.
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Ich starte früh mit der Arbeit, nachdem ich Herrn Krautundrübe und den Pubertier in den Tag verabschiedet habe. Im Laufe des Vormittags steigen die Temperaturen auf 14 Grad und die Sonne wärmt mein Arbeitszimmer, Fliegen kriechen aus den Ritzen und Wespen drehen wieder surrend ihre Runden. Beim Sitzen ist es ohne Heizung trotzdem kühl, sodass ich durch den Garten und das Haus – treppauf, treppab, gehe, dies und das wird weggeräumt und aufgeräumt. Ich nehme mir vor, heute zu kochen, davor versuche ich mich noch an meiner Arbeit, stelle sogleich fest, dass das Homeoffice nicht immer gut gelingt.
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Ich will heute meinen Vorsatz umsetzen und mich am Kochen versuchen. Ich möchte in staunende Augen blicken, ein anerkennendes Murren oder Gurren vernehmen, Fragen nach den Zutaten beantworten und satte, gurgelnde Mägen hören. Das Kochen zählt bisher nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, einzig der Gedanke, gesundes Essen zu mir zu nehmen, motiviert mich. Meine Kochvorlieben in Hinblick auf gesunde Küche kommen relativ lange im Krautundrüben-Haus zum Tragen, insbesondere von den damals noch kleinen Krautundrübenkindern, die noch keine großen Esser sind und mit Hirselaibchen, Grünkernlaibchen, Buchweizenlaibchen garniert mit viel Tomatenketchup zufrieden gestellt werden können.
Zunehmend bekommt das Kochen einen größeren Stellenwert, man konkurriert sich in meinem Umfeld, auch Herr Krautundrübe wird vom Kochfieber erfasst, was an mir spurlos vorbei geht, mit der Konsequenz, dass ich immer weniger koche. Ich überlasse das Feld Herrn Krautundrübe und dem Pubertier, der mich mit seinen Kochkünsten immer öfter in Staunen versetzt. Ab und an versuche ich mich noch als Köchin bemerkbar zu machen mit neuen gesunden Kreationen – wie unlängst Quinoalaibchen garniert mit einer Portion Eigenlob am Tisch, das mit resignierten Blicken von Seiten der Bekochten weggewischt wird. Dabei erinnere ich mich gerade an das Blunzengröstl, das mir damals vor dreißig Jahren so gut gelungen ist. Seinerzeit konnte man Blutwurst jederzeit am Bauernmarkt kaufen. Vielleicht achte ich zu wenig darauf, aber Blutwurst ist mir lange nicht mehr aufgefallen, wie auch die Breinwurst, eine alte österreichische Bauernköstlichkeit, weniger blutrünstig und ebenfalls sehr geschmackig. Breinwurst ist ebenfalls eine Kochwurst mit regionalen Unterschieden aus gekochtem Schweinekopf mit zugesetztem gekochten Buchweizen oder Hirse. Die Blutwurst, die aus Schweineblut, Speck, Schweinefleisch, Schwarten und Gewürze wie Salz, Pfeffer, Majoran und Thymian besteht, soll auch sehr reich an Eisen, Proteinen und Magnesium sein. Dazu Sauerkraut für die Vitamin C-Versorgung und balaststoffreiche Kartoffel zum Abrösten würden die Krautundrüben-Mägen mit Sicherheit sättigen und zum Gurgeln bringen.
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Für viele Menschen würde das Blunzengröstl einen Rang unter den Worst Rated Dishes in the World herausgegeben im tasteatlas einnehmen. Den ersten Platz unter den unbeliebtesten Speisen nimmt dort das isländische Gericht Svið ein, ein gekochter Schafskopf, der noch über dem Feuer gegart wird. Es folgt das schwedische Gericht Blodpalt, das ich mit den unsrigen steirischen Bluttommerln assoziieren würde. Das Gericht soll ursprünglich aus Nordschweden stammen und aus Rentierblut, Gersten- oder Roggenmehl bestehen. Ebenfalls aus Nordschweden ist die ‚Blutpalatschinke‘ – Blodplättar, die auch in Norwegen und Finnland bekannt ist. Hier fügt man einem Palatschinkenteig Tierblut bei, wodurch eine dunkle Färbung entsteht. Diese Blutgerichte wurden vor allem am Schlachttag auf den Höfen bereitet, da Blut nur ganz frisch verwertbar ist und man auch nichts verschwenden wollte. Interessant finde ich, dass beim Ranking Speisen mit Würmern und Maden offenbar beliebter sind als Blutgerichte.
Naja und soso, meine Kochmotivation ist wieder auf normalem Level. Ich stelle einen Topf mit Wasser auf den Herd, suche nach den Spaghetti No. 5 und finde ein Glas Pesto Genovese und ein Glas Pesto Rosso, das sollte reichen. Dazu werde ich Salat bereiten, den ich aus dem Garten hole. Ich blicke aus dem Küchenfenster auf die Herbstpracht meines Blutahorns, als das Handy klingelt und mir der Heizungsmann mitteilt, dass er es heute wohl nicht mehr schaffen wird.
Frau Krautundrübe