3. Adventwochenende

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Das Tauwetter hält an, sodass der gesamte Schnee weggeschmolzen ist. Die Sonne scheint warm, ich schaffe noch einen Teil des Laubes weg. Eine Tätigkeit, die mir sehr viel Überwindung kostet, weil ich sie überhaupt nicht mag.  Es ist so warm, dass ich mich nach nicht vollständig getaner Arbeit auf die Hausbank setze und die Sonne genieße. Ich blättere in einer Pfarrbroschüre, die ich im Postkasten finde, und lese einen kleinen Artikel über „Wissenswertes zum Weihnachtsfest“. Nicht viel ist über die historische Figur des Jesus bekannt, trotzdem glaubt man alles über Jesus Christus zu wissen. Einzig aus Steuerlisten wissen wir, dass 33 nach Christus ein gewisser Jesus aus Nazareth auf dem Kreuz hingerichtet wurde. Als sich Joseph mit seiner schwangeren Frau Maria nach Bethlehem zwecks Steuerliste aufmachte,  herrschte in Rom Kaiser Augustus, in Jerusalem König Herodes und Statthalter in der Provinz Judäa war Quirinius. Diese drei Personen waren allerdings nur von 7 bis 3 vor Christus gemeinsam im Amt, weshalb das Geburtsjahr von Jesus in diesen Zeitraum fallen müsste und der 313 von Dionysius Exiguus erstellte Kalender mit dem Jahr 0 = Christi Geburt nur ungefähr ist. So irgendwie könnte es gewesen sein.

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Die vorweihnachtlichen Rituale entheben sich in fast koordinierter Art und Weise ihrer Bedeutung. Der oft postulierte Weihnachtsstress trifft mich nicht, sodass ich ungetrübt dem Beschaulichen huldigen kann. Ich mache es mir bequem und schnappe mir den Lyrikband von Mascha Kaleko. Ein Gedicht ist in seiner Knappheit groß und es braucht nicht viel Raum und Zeit. Es zählt nicht nur die eine Gelegenheit oder die eine Stimmung, ein Gedicht kann immer anders wirken. Je nach Stimmung kann ein und dasselbe Gedicht eine vielfältige Wirkung erzielen. Auch die unterschiedliche Betonung der Wörter, sozusagen die Satzmelodie bewirken einen verschiedenen Zugang. Ich gebe mich den Gedichten über die Fremde und der Sehnsucht nach dem Leben hin, genieße die Ruhe. Mein Müßiggang wird von einem hektischen Pubertier unterbrochen, der für den Schulball ein gebügeltes Hemd, Anzughose und Sakko benötigt, noch eine warme Mahlzeit, Geld und ein ‚Taxi‘ zum Ball. Er sieht gut aus, was ich ihm natürlich nicht sage, da es in seinen Augen uncool wäre. Der Pubertier sucht nach einer Fliege bzw. ‚Mascherl‘, das er sicherheitshalber mitnehmen möchte zwecks Dresscode, wobei ich meine, dass er ja nicht auf den Opernball geht, woraufhin er mir vorwirft, dass ich ihm einreden möchte, dass er kein Mascherl braucht, weil es keines im Haus gibt oder ich es nicht finden würde, woraufhin ich triumphiere, indem ich aus meinem Geheimversteck in einer Schachtel gemeinsam mit Entlüftungsschlüssel für Heizkörper, Tischtennisbällen und Eishockey-Pucks (- die sucht man nämlich auch sehr oft vergeblich) ein weinrotes und drei schwarze Fliegen/Mascherl hervorzaubere. Der Pubertier ist ballfertig, der Abholtermin ist vereinbart und ich versuche mich wieder dem Müßiggang hinzugeben. Ich überfliege noch ein paar Gedichte von Mascha Maleko bis ich auf eines treffe:

 

An mein Kind

Dir will ich meines Liebsten Augen geben
Und seiner Seele flammenreiches Glühn.
Ein Träumer wirst du sein und dennoch kühn
Verschlossne Türen aus den Angeln heben.

Wirst ausziehn, das gelobte Glück zu schmieden.
Dein Weg sei frei. Denn aller Weisheit Schluss
Bleibt doch zuletzt, dass jederman hienieden
All seine Fehler selbst begehen muss.

Ich kann vor keinem Abgrund dich bewahren,
Hoch in die Wolken hängte Gott den Kranz.
Nur eines nimm von dem, was ich erfahren:
Wer du auch seist, nur eines – sei es ganz!

Du bist, vergiss es nicht, von jenem Baume,
Der ewig zweigte und nie Wurzeln schlug.
Der Freiheit Fackel leuchtet uns im Traume –
Bewahr den Tropfen Öl im alten Krug!

Mascha Kaléko

 

Frau Krautundrüben

2 Kommentare

  1. Leider ist der Sohn von Mascha Kaleko, der das literarische Talent der Mutter und das musikalische Talent des Vaters geerbt hat, sehr jung verstorben. Dota Kehr hat sehr eindrucksvoll Gedichte von Mascha Kaleko vertont. Dazu ist einiges im Netz zu finden.

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