Ich habe aus meinen letzten mehrwöchigen Auslandsaufenthalten, die vorwiegend mit Arbeit verbunden waren, gelernt, dass ich ein adäquates Fitnessprogramm einbauen muss. Meine Bewegungsabläufe bestehen täglich aus Sitzen, viel Hin-und-Her-Gehen, dazwischen viel Stehen. Außerdem gibt es hier in meinem Arbeitsareal viele Stufen, die unterschiedliche Niveaus ausgleichen. Allerdings entspricht die Stufenhöhe mit ca. 30 cm nicht dem europäischen Stufenmaß von ca. 15 bis 20 cm, was bei oftmaligem Stufenüberwinden bei kleinerer Körpergröße nicht ohne Kraftausübung erfolgt. Das bedeutet allerdings, dass nach mehren Wochen der rechte Fuß dementsprechend belastet ist, während der linke Fuß entspannt bleiben darf.
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Trotz oftmaligem täglichen Stufensteigen und Hin-und-Her-Gelaufe bietet sich als Afterwork-Workout hier das Gehen gut an. Das Laufen ist aufgrund der vielen Menschen im dicht bevölkerten Teil und der streunenden Hunde im unbevölkerten Teil von Side in der Türkei unbefriedigend. Jedenfalls gehe ich jeden Tag in zügigem Tempo einige Kilometer an der Promenade am Meer entlang. Vorbei an ordentlich gereihten Liegestühlen mit farblich abgestimmten Sonnenschirmen und Liegeauflagen auf der einen Seite und eleganten Hotels auf der anderen Seite. Zuerst müssen aber noch laute Bars, Läden mit gefakten Schuhen und Fußballdressen – hier scheinen noch immer Ronaldo und Messi den Ton anzugeben – überwunden werden. Es folgen einfache Läden und viele Tatoostudios, wo sich vor allem junge Damen in zahnarztähnlichen Stühlen räkeln. Erreiche ich die eleganten Hotels, so ist der erste Menschenpulk vorüber. In den schattigen Gärten sitzen unter hohen Bäumen vorwiegend ältere Leute und gönnen sich einen Aperitif. Elegant gekleidete Damen und Herren werden von mir überholt. Alle blicken gebannt auf die untergehende Sonne. Nachdem ich an den großen Hotels vorbei bin, erreiche ich schließlich ein stinkendes, mit Algen durchsetztes Gerinne. Ich gehe bis zur Badehütte, wo sich eine Katzenmutter mit ihren Babykatzen eingenistet hat und mit denen ich noch kurz spiele, bevor ich wieder umdrehe. Wenn ich wieder in meine Unterkunft zurück komme, ist es bereits dunkel.
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Bei diesen ungefähr zweistündigen Märschen erhöhe ich mein Tempo oft wegen dringendem Klogang, was sich als äußerst schwierig und lästig erweist. Ich überlege bei jedem großen Hotel, das ich passiere, ob ich den Wärter in seinem weiß gestrichenen Holzhäuschen frage, die Hoteltoilette benutzen zu dürfen, lege mir die türkischen Worte zurecht, gehe dann aber meistens weiter bis zum nächsten Hotel, wo ich wieder überlege. Oft kehre ich wegen dem dringenden Klodrang im Laufschritt in meine Unterkunft zurück.
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Nicht so unlängst, wo ich mich wieder in die Klogang-Misere versetzt fühle und weiß, dass ich keine Hoteltoilette aufsuchen werde, es aber schade finde, dass mein Gehen dadurch beeinträchtigt ist. Ich erblicke diesmal auf der Strandseite eine Baracke, die sich von der Strandseite aus gesehen als kleine Strandbar erweist, und einen jungen bezopften Mann, der ein Surfbrett in der Baracke verstaut, gleich neben dem Damen- und Herren-Klo. Ich ergreife die Gelegenheit und frage den jungen bezopften Mann, ob ich seine Toilette benützen dürfe. Er erklärt mir, dass er eigentlich schon geschlossen hat, mir aber das Klo selbstverständlich zur Verfügung steht. Erleichtert gehe ich über eine provisorische Holzrampe in die Toilette, wo plötzlich nochmals Licht angemacht wird und Musik aus dem Klo-Lautsprecher tönt – Eros Ramazzottis Cosa della Vita! Doppelter Jackpot! Es ist insgesamt genau das, was ich zu diesem Zeitpunkt gebraucht habe und es sollte vorerst auch der letzte Abendwalk in den Sonnenuntergang sein.
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Nachtrag: In der nachfolgenden Nacht stellen sich starke Schmerzen im Hüftbereich ein, die mich nun seit Tagen gehunfähig machen und vielleicht eine ärztliche Therapie erfordern. Ich werde mit meinen Beinen vorsichtiger sein, kann ich mir doch ein Leben ohne Gehen nicht vorstellen und will es diesmal so gar nicht den Cose della Vita überlassen.
Frau Krautundrübe aus der Türkei