Kleinkarierte Culotte und ungeliebter Löwenzahn

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Jetzt ist er da, der Frühling mit Temperaturen über +10 Grad! Das bedingt, dass die Winterklamotten eigentlich weggeräumt werden können, sofern es geeignete Kleidungsalternativen gibt. Ich entscheide mich bereits am Vorabend für eine Hose, die ich im Dezember in einer Boutique in Salzburg zu einem sensationellen Schnäppchenpreis erstanden habe. Der Stoff ist fein, angenehm dünn, kleinkariert, in einem Mittelbraun als Hauptfarbe gehalten, wadenlang mit weitem Bein und einer Bügelfalte, in der Art der Culotte-Hosen.  Für das Oberteil fällt die Wahl auf einen hellbraunen Pullover mit Fledermausärmeln. Da es morgens immer schnell gehen muss, liegt am Vorabend das Gewand bereit zum Anziehen am Stuhl.

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Als ich heute am Morgen die Hose, ein nicht zu auffälliges, langarmiges Shirt und den fledermausärmeligen Pulli anziehe und mich im Spiegel betrachte, bin ich wenig zufrieden. Wegen der Kürze der Hose überlege ich zudem, welche Schuhe dazu passen könnten. Die Wahl fällt in der Eile auf über zehn Jahre alte, braune, halbhohe Schuhe im Ökostil, die ich schnell aus dem Keller hervorkrame. Seufzend frage ich den Pubertier, was er von meinem Outfit hält. Er mustert mich und meint begeistert, dass es voll gut aussieht. Dass das wenig bedeutet, weiß ich sehr wohl, schon gar nicht, ob es wirklich gut aussieht, vielmehr bewegt sich das Outfit in dem Rahmen, in dem ich mit meinem Alter und Aussehen vom Pubertier eingestuft bin. Egal, ich fühle, dass ich da heute durch muss, da wir los müssen. Je länger ich die Hose trage, umso weniger gefällt sie mir.

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Beim Öffnen der Türe sehe ich sie dann, die erste Ameisenstraße des Jahres erobert unser Haus, emsig, sogar zweispurig führt die Straße direkt zum Katzenfuttertrog. Ich seufze wieder, wir steigen ins Auto und fahren los. Ich hätte Lust mit dem Pubertier ein wenig über coole Outfits oder muskelaufbauende Proteine zu reden, aber er hat seine Ohren bereits zugestöpselt. Auch die Erinnerung ans Lateinlernen für die morgige Schularbeit verhallt im Nichts. Ich höre meinen bevorzugten Morgenradiosender, wo eine Umfrage über Liebe am Arbeitsplatz angekündigt wird, worüber sich der Moderator aufgeregt zeigt. Ich hätte mich zu diesem Zeitpunkt sehr über Eros Ramazzotti gefreut, aber es kommt nichts. Der Verkehr beginnt nahe der Uni und der Pubertier-Schule zu stocken. Der Stau ist auf eine Baustelle zurück zu führen, da die Fahrbahn zugunsten zweier geplanter Fahrradstreifen verengt werden soll. Ich verbiete mir zu denken, ob nun wirklich schon die ganze Stadt von den Radlfahrer:innen eingenommen werden muss, was wohl der frühen Stunde geschuldet ist. Der Pubertier kommt jedenfalls viel zu spät zur Schule.

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Ich horche noch kurz den Erzählungen einer Kollegin, die gerade aus den USA zurück gekehrt ist und begebe mich ob meiner immer mürrischer ertragenen Frühlingskollektion in mein Büro. Bereits nach wenigen Minuten stellt sich heraus, dass es saukalt ist und die Heizung nicht mehr heizt. Ich suche nach einer Jacke oder einem Schal, öffne schließlich das Fenster, damit wärmere Luft von außen einströmen kann. Beim Schließen des Fensters passiert es schließlich: ich bleibe bei einem Ärmel des Fledermauspullovers hängen und reiße mir fürchterlich den Daumennagel ein. Das soll reichen und ein eindeutiges Zeichen für „Homeoffice“ sein. Ich fahre den PC herunter, schließe das Büro ab und gehe schnellen Schrittes in die Tiefgarage zu meinem Auto.

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Zu Hause angekommen entledige ich mich meiner „braun-karierten Frühlingskollektion“, versorge meinen eingerissenen Fingernagel, indem ich ihn verbinde und fühle mich gleich besser. Vor meinem geistigen Auge erobern die Ameisen bereits meine Küche. Ich suche schnell Ameisengift und finde ein verpacktes Päckchen eines Giftplättchens, das zuverlässig und schnell wirkt. Nachdem sich meine Arbeit türmt und ich nicht weiß, womit ich zuerst beginnen soll – es warten nur unangenehme Termine auf mich, wo ich gut vorbereitet sein muss, widme ich mich zuerst der Wäsche, die von der Leine abgenommen und verräumt wird. Dabei überlege ich, was ich dem Pubertier kochen könnte. Es soll ein Essen sein, das ich ihm als außerordentlich proteinreich verkaufen könnte. Ich entschließe mich für Bärlauchnockerl in Gemüsesauce mit Blattspinat, da ich ihm die grüne Farbe des Essens als besonders „muskelaufbauend“ präsentieren werde. Mein Plan geht gut auf und der Pubertier macht sich satt und zufrieden ans Lateinlernen.

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Ich sollte nun schleunigst mit meiner Arbeit beginnen, fürchte aber, dass ich ohnehin schlecht schlafen werde, weil sich in der Nacht das Gedankenkarussell bei nicht erledigter Arbeit immer schneller dreht, gehe trotzdem zuerst zur Wäsche und schaue nach den toten Ameisen. Das Giftplättchen kann somit morgen wieder entfernt werden. Ich blicke aus dem Fenster mit dem Gefühl, dass der Tag schon gelaufen ist, staune, wie schnell nun alles grün geworden ist, sehe auf der Wiese viele ungeliebte Löwenzähne blühen und fühle mich heute löwenzahngleich dem ungeliebten Löwenzahn nah.

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Ich denke an den morgigen Tag. Ich werde auf Frühlingsbekleidungsexperimente verzichten, mich wie gewohnt an meine Jeans mit noch dickem Pullover und den üblichen Alltagsschuhen halten, den ganzen Tag konzentriert arbeiten, spät am Abend heimkommen, aus dem Fenster auf meinen Garten in die Blumenwiese blicken und mich wie ein willkommenes Gänseblümchen fühlen.

 

Frau Krautundrübe

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