Gossip*

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Aufgrund der Umstände wie Teuerung, Klimakrise, aber auch Älterwerden fahre ich oft Zug. Ich plane mir demnächst das Klimaticket zu kaufen und dann fahre ich nur mehr Zug. Meine Gemeinde zeigt sich großzügig und fördert den Kauf eines Klimatickets mit einem Zuschuss, aber nur für die ersten 500 GemeindebewohnerInnen im Jahr, was noch mehr Anreiz bietet, mit dem Zug zu fahren.

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Ich gehe noch schnell in ein Geschäft, um ein paar notwendige Lebensmittel einzukaufen. An der Kassa warten keine Leute, ich schlichte meinen Einkauf auf das Band und höre mit einem Ohr der Unterhaltung der beiden Kassadamen zu, wobei sich die eine Kassadame bei der anderen darüber beschwert, dass die dritte Kassadame schon wieder „in die Pause gegangen ist“, nachdem sie schon vor 2 Stunden „in der Pause war“. Sie reden weiter über die dritte Kassadame, die gerade in der Pause ist und auch nie den Boden kehrt. Die beiden Damen sind so vertieft und ereifert, dass sie mich ignorieren. Man kann ihnen ansehen, dass sie sich im Ereifern wohl fühlen und nicht aufhören mögen. Ich bezahle und überlege mir, warum mich das Gespräch der beiden tratschenden Damen nicht überrascht? Als ich in die Arbeit komme, duftet es schon nach Kaffee. Ich fahre meinen PC hoch und warte, bis der harte Kern der KollegInnen vollständig eingetroffen ist. Ein deutlicher Überhang an weiblichen Kolleginnen steht einem männlichen Kollegen gegenüber, der bereits vor vielen Jahren klar stellte, dass wir ihm zuliebe auf bösen Gossip und Zickenkrieg verzichten sollen, woran sich wunderbarerweise bis heute alle halten. Aus diesem Grund wird vermieden, über Dritte zu reden, was dem Arbeitsklima bisher keineswegs geschadet hat. Auf dem Weg zum Bahnhof im übervollen Bus setze ich mich neben eine junge Frau, die telefoniert. Die eintönige, langsame Sprachmelodie deutet auf ein längeres Gespräch. Ich entnehme aus den Gesprächsfetzen, dass die junge Frau mit einer Freundin über eine Dritte redet, wenn sie meint:“… und stell dir vor, dann hat sie gesagt… ich renne ihr nicht nach… ich will mit der nichts mehr zu tun haben.“ Das alles in einem gespielt langweiligen Ton. Ich frage mich, warum immer Frauen solche Gespräche führen? Ich könnte durchaus auch Tratschen, wenn man mich lassen würde. Bei Krautundrübens ist Tratschen auch verpönt. Sie sind sogar vollkommen immun gegen jegliche Art von Tratsch und Klatsch. Hole ich tief Luft und beginne ich über jemanden zu reden, ernte ich umgehend böse Blicke, sodass ich urplötzlich aufhöre. Nie haben mich die Krautundrübenkinder mit Tratsch und Klatsch versorgt und Herr Krautundrüben ist allseits bekannt für seine Unempfänglichkeit in Sachen Gossip. Worüber redet nun Frau Krautundrübe? (Die Krautundrüben-Gespräche drehen sich tatsächlich hauptsächlich um das Essen, um das Organisatorische wie Einkauf von Essen und Tagesplan, um Musik, um Filme und um Sport.)

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Nachdem ich noch keine geübte Zugfahrerin bin, erreiche ich den Bahnhof zu früh, sodass ich noch Zeit im Bahnhofbuchladen zum Schmökern finde. Der Laden ist gefüllt mit Zeitschriften und Büchern, die thematisch geordnet sind. Es gibt auch ein Regal mit Neuerscheinungen, an denen ich kurz hängen bleibe, aber in der Gewissheit, dass ich mich nicht zu lange hier aufhalten darf. Da erblicke ich das neue Kochbuch von Ottolenghi, von dem gerade noch ein Exemplar im Regal steht. Ich zögere kurz, greif zu und gehe an die Kassa, um es zu bezahlen, stecke es in meine Tasche und eile zum Zug. Ich finde im vollbesetzten Zug einen Platz, der in die entgegengesetzte Fahrtrichtung weist, hole das Buch aus meiner Tasche und blättere mich durch die leckeren Rezepte. Krautundrüben-Gossip ist für die nächsten Tage vorprogrammiert.

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*Klatsch ist eine Form der gesellschaftlichen Unterhaltung, bei der absichtsvoll Informationen über nicht anwesende Personen ausgetauscht werden. Der Begriff bedeutet ein gesellschaftliches Gespräch über triviale, oft auf Gerüchten beruhende Themen.

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