Leonidio

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Die Tage beginnen seit mehreren Wochen nun mit frühem Weckerklingeln hier in Plaka bei Leonidio an der Ostküste der Peloponnes. Alle Handgriffe sind eingespielt, die von rötlicher Erde verschmutzte Hose liegt bereit, die festen Schuhe sind schnell angezogen, während meine junge Kollegin die Wasserflaschen auffüllt. Ich gehe in die Gemeinschaftsküche, um des Kaffeepulver in die Tasse zu löffeln, die Stärke variiert je nach Laune und Müdigkeit, das heiße Wasser steht bereit und nach dem Aufguss verbreitet sich der Kaffeegeruch. Ich setze mich auf die Terrasse, langsam tauchen auch die anderen Kollegen auf, wir sitzen schweigend und ich blicke in den dunstigen Horizont. Seit vielen Tagen dürfen wir den Sonnenaufgang von unserem Platz aus beobachten. Er ist jeden Tag genau so anders, wie sich auch die Tage voneinander unterscheiden, versetzt uns aber immer wieder in Erstaunen. Schweigend werden die Rucksäcke gepackt, das Vermessungsgerät, die Drohne und der Fotoapparat in das Auto geschlichtet. Wir fahren die wenigen Kilometer zu unserem Platz, wo uns auch schon eine Schar griechischer Arbeiter erwartet. Das Durcheinander von „Kalimeras“ lässt mich schließlich endgültig im Tag ankommen.

 

Im Laufe des Tages menschelt es durchaus. Es wird viel diskutiert, wie die neuen Arbeitsmethoden eingesetzt werden können und ob sie auch zweckmäßig sind. Ich staune über den Fortschritt der Digitalisierung auch in meinem Fach und bin begeisterte Anhängerin der neuen Möglichkeiten, die sich uns bieten, und die ich mir von meinem jungen Kollegen gerne zeigen lasse. Die Sonne sticht mittlerweile und macht müde und denkfaul. Die Freddo Cappuccinos, die den klassischen griechischen Eiskaffee, das Frappe, abgelöst haben, werden uns vom Zacharoplástis mit seinem Ratter-Moped in einer Kühltasche aufs Feld geliefert . Ich erfahre von ihm, dem Zacharoplástis, der sich bei uns noch eine Zigarettenpause gönnt, dass beim Freddo ein oder zwei Espresso als Grundlage genommen werden und nicht das Kaffeepulver von Nescafe. Ich fühle mich nach der Kaffeepause viel frischer, ziehe mich trotzdem zurück von der Feldarbeit, genieße ein paar Stunden alleine, bin stolz, dass mir endlich das optimale Mischverhältnis von meinem Paraloid und dem Ethylacetat der örtlichen Temperatur angepasst gelungen ist und widme mich meinem Nachmittags-Vorhaben, das mich einigermaßen entspannen lässt.

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Es ist vielleicht das Feierabend-Bier und das erlösende Abendschwimmen im Meer, das uns dann wieder versöhnlich stimmt und die fachlichen Diskrepanzen vergessen lässt. Spätestens beim Essen ist die Stimmung heiter. Dementsprechend reich fällt die Bestellung auch aus. Hier kommt eindeutig der Vorteil der Mehrpersonentafel zum Zug, die eine reiche Auswahl an Vorspeisen und Hauptspeisen erlaubt, wie es für die griechische Küche optimal ist. Es wird gereicht, getauscht, geschmaust und getrunken, die Gespräche sind leicht und nach den vielen gemeinsamen Tagen vertraut. Die auf Essenshappen spekulierenden Katzen werden noch gestreichelt und geherzt, bis wir uns müde in unsere Häuschen vergraben und binnen Sekunden einschlafen – natürlich bereits in Vorfreude des bevorstehenden Sonnenaufgangs.

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Wegen der melancholischen Stimmung: Birds and Ships von Billy Bragg und Natalie Merchant nach Woody Guthrie.

 

Frau Krautundrübe

 

 

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