Der Pubertier ist noch in Dublin, Sprachaufenthalt nennt sich das. Die Gastfamilie entspricht den Vorstellungen des Pubertiers, viel mehr konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Das Stephens-Green-Shopping-Center-Foto ist noch ausständig und das Geld für das Shortbread und die Schafwollfäustlinge wahrscheinlich längst ausgegeben. Die Pubertier-Absenz veranlasst mich allerdings nicht zu Müßiggang. Frühmorgens, im ersten Dämmerlicht noch vor der Schulkinder-Karawane mache ich mich auf den Weg ins Büro. Nach der Arbeit sind die Abende verplant mit Socializing.
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Eine liebe Bekannte fragt mich an einem dieser Abende nach einem unverfänglichen Austausch über den letzten Sommer, den frischen Herbst, dem Befinden der Kinder und vielerlei Allerlei plötzlich und für mich unvermutet, was denn meine Hobbys seien. Ich bin überrascht, beinahe ausgehoben, ertappt und unvorbereitet. Ich zögere, stocke und überlege, ob ich darauf antworten muss? Ich könnte einfach sagen, dass das nicht so einfach zu beantworten sei. Ich versuche als unmittelbare Reaktion mit einem langgezogenen „Hmmm“ Zeit zu gewinnen. Blitzhaft kommt mir in den Sinn, wie ich die Krautundrüben-Kinder nach ihren Hobbys angebohrt habe, die in eine Zeile der Bücher in der Art von Meine Kindergartenfreunde oder Meine Schulfreunde ausgefüllt werden mussten. Als ich den Pubertier einmal – vor einigen Jahren schon – ungeduldig drängte, in eines dieser Freundebücher in der Spalte „Hobby“ doch Fußball einzutragen, womit er damals jede freie Minute verbrachte, gab er mir eine sehr kluge Antwort. Er erklärte mir, dass nämlich Fußball für ihn kein Hobby sein kann, weil er ja auch Fußball spielen muss, wenn er einmal keine Lust hat. Wir hatten damals lange überlegt und analysiert, was wir in die Hobby-Zeile schreiben sollen. Dementsprechend schwierig ist nun auch für mich, die Frage nach meinen Hobbys unter der Pubertier-Prämisse zu beantworten. Jedenfalls antworte ich der lieben Bekannten, dass ich gerne schreibe, was mir in diesem Moment auch richtig vorkommt, worauf sie überrascht wirkt, kurz zögert, aber nicht weiter nachfragt.
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Ich schreibe gerne und freue mich stets darauf, zu schreiben. Es fordert mich und ich bewundere die, die wirklich gute Bücher schreiben, die Wortakrobatinnen und Satzkünstler. Gerade höre ich im Radio von einem neuen Buch von Peter Handke „Die Ballade des letzten Gastes„. Handke meint, dass das einzige Talent, das man zum Schreiben haben müsse, die Sehnsucht sei, sonst sei es am besten, wenn man möglichst unbegabt sei. Diese Sehnsucht müsse aber vollkommen sein, nur dann können die schönen, guten Sätze entstehen. Sehnsucht meint dabei, etwas außerhalb seiner selbst zu finden, mehr noch, es gegen die eigene Unfähigkeit zu finden.
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Meine Tage sind sehr intensiv mit Arbeit verbracht, wo nicht viel Platz im Kopf übrig bleibt. Beim Blick aus dem Fenster verliere ich mich in den von den Bäumen schwebenden Blättern. Ich denke an die fiebrige Welt, über die ich nicht schreiben mag. Ich kann dazu nämlich nichts Neues sagen, habe keine klugen Analysen am Schirm, keine Wege aus den Ausweglosigkeiten parat zu den Verkettungen der Kriege, nur Betroffenheit und die Gewissheit der Ohnmacht darüber.
„Daß der Krieg einmal aufhört, ist nicht gesagt. Es kann natürlich zu einer kleinen Paus kommen. Der Krieg kann sich verschnaufen müssen, ja, er kann sozusagen verunglücken. Davor ist er nicht gesichert, es gibt ja nix Vollkommenes allhier auf Erden.“ (Der Feldwebel in Brechts Mutter Courage)
Frau Krautundrüben