Weltsparen

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Den 31. Oktober verbinde ich stets mit dem Weltspartag, auch heute noch, obwohl ich seit Jahren keine Bank aktiv vor Ort nutze, außer den Bankomaten zum Geldabheben. Der Weltspartag feiert heuer seinen 100. Geburtstag. Damals wollte man nicht nur das Sparen fördern, sondern auch den pädagogischen Aspekt einbringen, indem der Spargedanke als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden soll. Ich erinnere mich, dass ich in der Schule mit meinen Buntstiften den Sparefroh und die Sumsi gemalt habe, die Symbole der beiden großen Banken. Dazu gab es kleine Heftchen mit der Sumsi oder dem Sparefroh als Hauptakteure in kleinen Geschichten zum Sparen. Die Geschenke holte man sich nach Einzahlung der Sparschwein-Auslese bei der Bank selbst. Das war der Höhepunkt des Weltspartages, damals.

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Ich bin sehr froh, dass die Geldgeschäfte digital abgewickelt werden können, wo kein Menschenkontakt notwendig ist. Zu prägend ist die Erinnerung an meinen Bankbetreuer, einem schmierigen, bummelwitzigen Herrn, der mir so gerne Fonds und Altersvorsorgen verkaufen wollte. In einem Anfangsstadium – in den 1990-ern und 2000ern – rief er mich an, um mit mir einen Beratungstermin in seinem Büro zu vereinbaren, wo mir die einzelnen Angebote, von denen ich natürlich profitieren würde, nahe gebracht werden sollten. Ich ging auf keines der Angebote ein, war auch noch eine junge Frau mit wenig Einkommen, hatte aber stets das Gefühl den Bankbeamten nicht verärgern zu dürfen, da er doch mein Geld verwaltet, außerdem könnte ich auch in naher Zukunft auf einen Kredit angewiesen sein. In einem weiteren Stadium – die Banken sparten offenbar Personal ein – gab es keine Anrufe und Bürotermine mehr, sondern der Kontakt hinsichtlich der Bewerbung der Bankdienste lief nur noch über E-Mail ab. Seitenlange, als Anhang gesendete Pdfs werden nur noch schnell überflogen und in den Papierkorb verschoben. Im letzten Stadium gibt es keine E-Mails mehr und keinen Bankbetreuer, alles wird digital abgewickelt. Neue Produkte ploppen beim Einstieg in das digitale Konto auf, man kann sie ganz leicht wegdrücken, sieht man sich die Produkte länger als fünf Minuten an, ploppt ein kleines Fenster auf, wo eine KI ihre Hilfe anbietet, die man bei Bedarf auch ganz einfach wegklicken kann. Wirklich wichtige Informationen und Änderungen werden stattdessen per Post als Brief geschickt, was ich sehr vernünftig finde, da ich auch selbst entscheiden können würde, ob ich mich an eine Kundenbetreuerin persönlich im Büro, per Telefon oder in Form einer KI wende.

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Nach der Auswertung einer Umfrage des Vergleichsportals Durchblicker nützen 78 % der Österreicher*innen das zinslose Girokonto auch als Spar- und Veranlagungsmöglichkeit. Da sollen an die 11 Milliarden Euro auf zinslosen Girokonten liegen. Davon profitieren natürlich die Banken, die sich an die 300 Millionen Euro an Zinsen ersparen. Hätte ich den Worten des bummelwitzigen Bankbetreuers, den E-Mails und den Postsendungen mehr Wert beigemessen, wüsste ich das eventuell und hätte damals dementsprechend gehandelt.

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War der Weltspartag vor 100 Jahren als ein Tag des Sparens und der Finanzerziehung für alle Menschen aus 30 Ländern eingeführt worden, so hat heute das Sparen vielerorts eine andere Bedeutung. Auch heute müssen vor allem junge Menschen mehr denn je lernen zu wirtschaften, um mit ihrem Geld Monat für Monat auszukommen. In einer bargeldlosen Welt wird Geld immer abstrakter. Alles zu haben – unterschiedliche Preisklassen machen es möglich – ist auch ohne zu sparen zur Normalität geworden. Umso mehr trifft die Tatsache, dass wir durch Inflation, Weltgeschehen, gesteigerte Kosten für Gesundheit und Soziales, Klimakrise und vor allem dem Auseinanderdriften von Armem und Reichen unser Finanzverhalten im großen und im kleinen wieder überdenken sollen.

 

Frau Krautundrübe

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