Die Heimfahrt von Griechenland mit der Fähre ist perfekt. Wir ordnen uns in Patras in die uns zugewiesene Reihe für Wohnmobile mit Camping an Bord ein und hoffen auf einen Platz mit ein wenig Zugluft, resignieren aber beim Anblick der mächtigen Wohnmobile vor und hinter uns. In diesem Moment winkt uns einer der Einweiser nach vorne, Herr Krautundrübe will stehen bleiben, aber ich rate, dass er schnell weiterfahren soll, bis uns auch schon ein weiterer Lotse in den Schiffsbauch schickt und uns perfekt am Rand vor die Schiffsluke einweist. Was für ein Glück! Wir stecken hurtig den Strom an und verschwinden aus dem Sichtkreis der Einweiser aufs Deck. Dort schauen wir auf die vielen weißen Häuser von Patras und sehen den Autos und LKWs zu, wie sie den wild gestikulierenden Einweisern folgen, um auf das Schiff zu fahren. Es sind bei weitem nicht mehr so viele Autos wie vor Corona. Die Preise für die Fähre sind saftig gestiegen und wie man an den protzigen Wohnmobilen sieht, hat sich auch das Klientel – zumindest auf der Peloponnes – geändert. Das ist wohl auch der Grund, weshalb überall auffällig wenig los ist.
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Ich mag am Peloponnes vor allem die alten Campingplätze, wobei es eigentlich kaum „moderne“ Plätze, wie man das aus Italien und Kroatien kennt, gibt. Einige dieser Plätze wurden bereits in den 1970-er Jahren angelegt, als vor allem junge Menschen mit Rucksäcken und Zelten nach Griechenland aufbrachen, um das Meer, das unvergleichliche griechische Leben oder die Antike kennen zu lernen, und die Plätze wurden danach wenig geändert oder modernisiert. Diese Campingplätze erkennt man schnell am alten, schattenbringenden Baumbestand. Bei den ungewohnt schmalen Zufahrten zu den Plätzen wehen am Eingang sämtliche Fahnen von europäischen Ländern, es gibt ein sehr kleines Häuschen mit einer Türe und vielleicht einem Fenster, das als Rezeption dient, und vor dem ein Stuhl stehen kann. Dort hängen vergilbte Fotos an den Wänden, es gibt ein großes dickes Buch, in dem eine „uralte“ mürrische Frau oder ein „uralter“ sonderlicher Mann schriftlich die Daten der Campingplatzkunden in griechischer Krakelschrift vermerken. Der Reisepass kommt in die oberste Lade des Holztisches und wird unter das Gummiringerl zu den restlichen Reisepässen gesteckt. An der Wand hängt außerdem ein großer Kalender, in der Ecke steht ein Ständer mit Postkarten, die sich an den Ecken aufbiegen, und die die seit 30 Jahren gängigen Motive wie Katzen vor weiß getünchten Häusern mit griechenlandblauer Türe und Balken, einen braungebrannten Frauenpopo in knapper Bikinitangahose, die man heute kaum mehr trägt, ein Eselchen mit I-Love-Greece Aufdruck, Windmühlen mit I-love-Greece Aufdruck und Herzen und Fischerbooten in Farbtönen passend zum strahlenden Blau des Meeres, zeigen. Briefmarken gibt es an der Campingplatz-Rezeption allerdings nicht, die gibt es nur in der Ταχυδρομείο, dem Postamt, weshalb ich die Karten wieder zurück stecke. Die Stellplätze sind naturbelassen, meistens sehr sandig, ohne strikte Einteilung bzw. Grenzen. Die Sanitäranlagen sind ebenfalls sehr einfach. Es gibt ein paar wenige gemauerte Becken, die entweder weiß oder griechenlandblau getüncht sind. Über den einzelnen Becken hängt ein Zettel, auf dem entweder Only-for-dishes oder Not-for-dishes steht, demnach wäscht man das Geschirr im Only-for-dishes-Becken, alles andere im Not-for-dishes-Becken und die Zähne putzt man idealerweise über dem Becken, über dem ein Spiegel angebracht ist. Obwohl die Oberflächen jährlich neu gestrichen sind – so scheint es zumindest, vermeidet man tunlichst mit einer den Oberflächen in Kontakt zu kommen. Bei den wenigen Toiletten ist Papier Mangelware, nicht selten sucht man den versteckten Knopf, einen angebrachten Draht oder die viel zu hoch hängende Schnur für die Klospülung. Die Duschen bestehen aus einer getünchten betonierten Wanne, der große Duschkopf ist hoch oben fest angebracht und verspricht einen herrlich kräftigen, meist kalten Wasserstrahl, denn Warmwasser ist selten verfügbar. Zum Reinigen der Sanitäranlagen darf man ruhig auch selbst zum Wasserschlauch greifen. Man vermeidet eine großflächige Mückenbekämpfung in Form einer Giftwolke, wie es hinlänglich auf vielen Campingplätzen bekannt ist, sodass die Nächte unabdinglich schlecht sind. Sind die Nerven kurz mal angespannt, bekommt man im schlecht sortierten Camping-Mini-Market zuverlässig eine Flasche Wein oder ein Mythos-Bier, frühmorgens bekommt man auch noch ein frisches Brot, spätmorgens allerdings nicht mehr. Wifi funktioniert zu 80 % nicht und für Mobile Daten liegen die Plätze auffallend oft in funkleeren Zonen. Trotzdem hat alles einen besonderen Charme und bringt ab und an was Gutes mit sich. Während einer der zahlreichen Stromausfälle wollen wir am letzten Urlaubstag von einem ganz besonders charmanten Campingplatz auschecken, um zur Fähre nach Patras zu eilen. Ich gehe zur Rezeption, um den Stellplatz zu zahlen, was in diesem Fall – trotz Stromausfall nämlich – wie am Schnürchen klappt, indem die plötzlich nicht mehr mürrische Dame an der Rezeption, das dicke Buch aus der Lade holt, den Reisepass aus dem Gummiringerl-Stapel fischt, auf einem Zettel die Rechnung hinkritzelt und mich dabei triumphierend anblickt.
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Die Überfahrt ist kurzweilig, luftig und gesellig durch das Wiedersehen mit Menschen, die wir im Laufe der Reise bereits getroffen haben. Die Meerbrise verschafft mir einen erholsamen Schlaf. Am nächsten Morgen beim Blick aus der Luke aufs Meer – mittlerweile schon in der Adria – Ernüchterung beim Anblick von Quallen und Algen soweit das Auge reicht. Bei der Heimfahrt ab Ancona halten wir uns mit Spotify über die Bluetooth-Box wach. Die Zufalls-Spotify-Jukebox hat uns dann kurz vor dem Ankommen zu Hause dieses herrliche Lied ausgespuckt: Vicky Leandros Ich liebe das Leben