Ich bin von einer kleinen Reise aus dem Venezisch-Friaulischem zurück. Nachdem der Herbst dieses Jahr sein herbstliches Antlitz zeigt, habe ich während des kleinen Tripps viel gefroren und bin wieder gerne heimgefahren. Der Gedanke an mein behagliches Haus wärmt mich während der Rückfahrt im Auto, wo sich der warme Luftzug entweder auf die Windschutzscheibe oder die Füße einstellen lässt, die Einstellung auf den Oberkörper offenbar nicht funktioniert, sodass alleine die Füße warm werden, die aber ohnehin schön warm sind, da ich meine Winterschuhe mit Lammfell-Futter vorsorglich anhabe, um kalten Füßen prinzipiell vorzubeugen. Ich sitze mit Mütze, Schal und in dickem Daunenmantel, aber heißen Füßen im Auto und versuche dem Charme des Herbstes und des bevorstehenden Winters etwas abzugewinnen. Herr Krautundrübe, ebenfalls auswärts, hat in bester Absicht vor der Abreise die Heizung im Haus auf Sparbetrieb gesetzt, dementsprechend kühl ist es beim Heimkommen und in den darauf folgenden Stunden, die ich in dicker Fleecejacke beim Nachlesen der Tageszeitungen verbringe.
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Hier wird von meiner Lieblingskolumnistin gefragt: „Gefällt uns unser Leben, wie und wo es ist?“ Das ist sehr schwierig zu beantworten und hängt in jedem Fall von der Perspektive ab. Ich lebe sehr glücklich in meinem Haus mit einem großen Garten am Land. Es erdet mich und macht mich zufrieden. Allerdings fahre ich sowieso täglich in die Stadt und meine ausgeprägte Stadtsehnsucht stille ich mit ausgedehnten Stadtbesuchen. Ziemlich regelmäßig mag ich auch sehr große Städte. Es ist dann alleine wie man sich der Stadt nähert schon wichtig für den weiteren Verlauf. So nähere ich mich Wien meist mit dem Auto, wobei ich lieber mit dem Zug fahren würde. Das liegt wohl daran, dass immer irgend etwas in die WG der Krautundrüben-Tochter gebracht werden muss oder irgend etwas von dort zurück nach Hause gebracht werden soll. Ich bin mit dem Auto nicht viel schneller als mit dem Zug, wobei ich gerne an großen Bahnhöfen ankomme und nicht nach passenden Parkplätzen suchen muss. Herr Krautundrübe parkt in guter alter Tradition in der Tiefgarage vom Gasometer, von wo man mit der U3 leicht in die Stadt fahren kann. Ich parke unterschiedlich und verbringe anfangs viel Zeit mit dem Orientieren. In Athen komme ich meistens mit dem Flugzeug an. In den langen Gängen sind Ankündigungstafel mit καλό ταξίδι oder Καλως ηρθες στην ΕΛΛΑΔΑ. Die Ankommenshalle ist verhältnismäßig klein, ich gehe hinaus und befinde mich in einer Abgaswolke verursacht von Taxis, die den Motor laufen lassen und zweistöckigen Linienbussen, die ebenfalls den Motor laufen lassen. Ich besorge mir an einem Kioski eine Fahrkarte zum Sintagma Platz, steige in den Linienbus X95, um gleich ganz in die Stadt einzutauchen. Ein stetes Bremsen und Losbrausen, im Stau stehen bis wir endlich im Zentrum ankommen. Je nach Gepäck verbunden mit der Länge meines Aufenthalts nehme ich ein Taxi oder gehe zu Fuß in meine Unterkunft. Ganz anders die Anreise nach Venedig, zuerst mit dem Auto nach Punta Sabbioni und dann mit dem Vaporetto durch die Lagune. Bei dem großzügigen Parkangebot in Punta Sabbioni kann man sich sehr schnell auf das Bootfahren einstellen, indem man eine Karte nach Venezia San Marco löst. Bereits in der Warteschlange am Bootssteg in Punta Sabbioni ist es entspannt, gedämpfte Unterhaltung, am Horizont verfließt der dunstige Himmel und die brackige Lagune ineinander. Leises Brummen kündigt das Vaporetto an, kurz geschäftiges Treiben, bis die Gewissheit durchdringt, dass jedes Vaporetto nach Venezia Piazza San Marco fährt, jeder nimmt einen Platz ein und es geht los, vorbei zwischen dem Lido-Ostende und Le Vignole. Der Bootsverkehr wird stärker und die venezianische Kulisse vom Meer aus gesehen erscheint. Nach dem Aussteigen droht man schnell im Menschensog zu verschwinden, flüchtet sich in schattige, fast menschenleere Gassen, bis ich am lichtdurchfluteten Campo di Santa Margerita ankomme und nach einem idealen Platz in der Sonne in einem Cafe suche, glücklich einen Campari Spritz bestelle und ja, mein Leben gefällt mir wie und wo es ist.
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Dota Kehr vertonte Gedichte der 1907 geborenen Mascha Kaleko, deren Texte als damals politisch Vertriebene aktueller nicht sein können. Dota Kehr hat mittlerweile die 2. CD „In der fernsten der Fernen“ mit Texten der Mascha Kaleko aufgenommen. Wunderschön „Wenn einer fortgeht„.
Frau Krautundrübe