Die Bougainvillea vor meinem Fenster wirft täglich mehr Blüten ab, die Blätter verfärben sich leicht rötlich und welken sich leicht ein. Nur ein Zweig wehrt sich und hält noch mit prächtigen Blüten eisern am Sommer fest. Ich werfe einen Blick durch die Gasse auf das glitzernde Meer. Es ist ruhig, die Stürme der vergangenen Woche sind vergessen. Naja, über Windstärke 6 sind die Stürme nicht hinausgegangen, was mich an den 2. Teil von Caroline Wahls Buch Windstärke 17 denken lässt.
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Es stellt sozusagen die Fortsetzung von Caroline Wahls Erstlingswerk 22 Bahnen dar, das ich mit Spannung erwartet habe. Dank meiner lieben Mitarbeiterin ist das Buch letztendlich in Side gelandet. Es geht um Ida, der Schwester von Tilda aus dem ersten Buch, die nach dem Tod der alkoholkranken Mutter auf der Insel Rügen landet. Es lohnt sich hier nicht, sich weiter mit der Geschichte zu befassen, da es nicht an das erste Buch von Caroline Wahl, das zumindest originell in Sprache und Motiven ist, herankommt.
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Zumindest veranlasst es mich aber, mich um einen Ebook-Reader zu kümmern, der im Falle von häufigen Auslandsaufenthalten eine gute Alternative bietet. Ich erinnere mich, als mir in jungen Jahren beim Trampen der Lesestoff ausging. An sämtlichen Campingplätzen gab es Regale gefüllt mit abgegriffenen Büchern von anderen Reisenden. Einige englische Herz-Schmerz-Romane wanderten so, von einem Campingplatz zum nächsten. Windstärke 17 von Caroline Wahl würde ich sofort und gerne auf einem Campingplatz-Regal zurück lassen.
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Den Tourist*innen kann ich heuer hier in Side gut aus dem Weg gehen. Die Anzahl hat sich nochmals gesteigert. Vor allem tagsüber schieben sich Menschenmengen durch die Straßen. Viele sind nur Tagesgäste und stammen von Kreuzfahrtschiffen, die nun vermehrt an der türkischen Küste anlegen. Das mag an den härteren Auflagen für Kreuzfahrtschiffe in Europa liegen, sodass man sich andere Alternativen sucht. Den Türk*innen gefällt es, die Zahl der Tourist*innen steigt. Das Städtchen Side zählt selbst keine 14.000 Einwohner, kann aber für das Jahr 2024 an die 9 Millionen Nächtigungen nachweisen. Genauso fühlt es sich hier auch an, wenn man die ruhigen Ecken verlässt. Auf meinen Promenanden-Walk verzichte ich deshalb viel öfter. Jedenfalls bemerke ich auch dieses Jahr den Wechsel von tätowierten Beinen von Männern mit mächtigen nackten Oberkörpern und Damen mit schrillen Outfits hin zu deutschen Familien, die in ihren Herbstferien noch Sonne und Kultur tanken, was Side als Ort des Massentourismus durchaus gut tut.
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Obwohl ich mich an den Lärm rund um mich gut gewöhnt habe, meine ich immer öfter das Bimmeln von Kirchenglocken zu hören. Es wird Zeit, wieder nach Hause zu kommen.


Frau Krautundrübe