#WMDEDGT 05/23

Veröffentlicht am Keine Kommentare zu #WMDEDGT 05/23

Frau Brüllen fragt jeden 5. des Monats #WMDEDGT („Was machst du eigentlich den ganzen Tag“).

++++

Der Feind in – oder neben meinem Bett ist ein in die Jahre gekommener, scheinbar unverwüstlicher Radiowecker mit einem penetranten blauen Displaylicht und einem unerträglichen Weckgeräusch, den Herr Krautundrübe in die Ehe mitgebracht hat. Das Displaylicht erhellt den Raum für mich unangenehm, sodass ich gelegentlich den Stecker ziehe, um die Stromzufuhr zu unterbinden. Nachdem Herr Krautundrübe, der auf seinen Radiowecker keinesfalls verzichten möchte, auswärts nächtigt,  versuche ich abermals das blaue Displaylicht zu dimmen, allerdings gelange ich nicht zur Steckdose, sodass ich an sämtlichen Knöpfen und Rädchen drehend endlich das erwünschte Ergebnis erreiche. Nach einem mittelguten Schlaf, wache ich auf und höre eine gedämpfte, leicht belegte, ruhige Stimme, die aus dem Radiowecker die 4-Uhr-Morgen Nachrichten verkündet. Ich grabe mich durch Bücher zum Stecker durch, den ich unumwunden ziehe und versuche meinen Schlaf zu retten, was mir nicht gelingen mag. So stehe ich gegen 5 Uhr morgens bei wolkenlosem Himmel, aber kühlen Temperaturen im einstelligen Bereich auf. Ich sehe nach dem Pubertier, der rotzt und hustet und beschließe, ihn schlafen zu lassen und bereits früh zur Arbeit zu fahren, um dann auch den Wochenendbeginn bei schönem Wetter genießen zu können.

++++

Alleine im Auto am Weg zur Arbeit kann ich mich ohne Krautundrüben-Kritisierer ganz dem Morgenradio hingeben und werde belohnt mit John Legend „All of Me“, was mir den nötigen Kick für die weitere Autofahrt gibt. Nach so viel Begeisterung und Schwung vergesse ich vor dem Schranken zur Tiefgarage stehend, dass ich am Vortag meine Magnetkarte verloren habe, die mir offenbar aus der Handyhülle rutschte. Ich lege den Retourgang ein, aber hinter mir baut sich in einem sehr sportlichen Auto ein Mann auf, der mir mit ausdrucksstarken Gesten zeigen will, was er von mir hält. Ich steige aus dem Auto aus, erkläre ihm meine Situation und bitte ihn, mit seiner Karte den Schranken zu öffnen. Wir gehen schließlich smalltalkend gemeinsam in dieselbe Richtung. Er erkennt wohl, dass er überreagiert hat, was im beruflichen Umfeld auch ins Auge gehen kann, zumindest wenn man denkt, das Auto wäre ein geschützter Bereich, wo man sich alles erlauben kann. Er biegt schließlich ab, ich flüstere den restlichen Arbeitsweg vor mich hin: „Trottel. Trottel. Trottel….

++++

Obwohl ich meinen Arbeitstag heute im Büro bereits um 7.00 Uhr beginne, staune ich, wie viele Leute bereits unterwegs sind, wobei mein Arbeitstag täglich ohnehin schon um 7.45 Uhr beginnt, was zeigt, dass in der Früh jede Minute zählt. Ablenkung in Form von Menschen ist am heutigen Arbeitstag nicht zu erwarten, trotzdem strukturiere ich meinen Terminplan und meine gedankliche To-Do-Liste. Der Anruf, dass der Fahrradbote die Reiseunterlagen vom Reisebüro für meine bevorstehende Arbeitsreise übermittelt hat, entspannt mich kurzfristig. Ich übernehme die „Reisemappe“, die tatsächlich vielversprechend aussieht. Da ich meine Flüge grundsätzlich online buche und in diesem Fall zwecks Vorgabe des Arbeitgebers auf ein Reisebüro zurück greife, komme ich selten in den Genuss einer „Reisemappe“. Neugierig öffne ich den Umschlag und ziehe ein Erfrischungstuch, einen Kofferanhänger, ein Heftchen mit Tipps für Auslandsreisende herausgegeben vom Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, ein Heftchen zur Verzollung herausgegeben vom Bundesministerium für Finanzen, ein Informationsblatt zu Flüssigkeiten, Aerosolen und Gelen, ein Folder vom Reisebüro mit Reisetipps, ein Plastiksackerl für Flüssigkeiten und das Flugticket in Hülle und Kuvert verpackt. Ich denke: „Alles meins!“ Vor mir liegt noch eine Visitenkarte der Betreuerin aus dem Reisebüro, falls es Probleme gibt auf der Reise. Ich fühle mich nun beschützt und geborgen. Nach hektischen Arbeitsabläufen (vor einer Arbeitsreise ist es eigentlich immer hektisch) und komplizierten Telefonaten mit dem 2. Botschaftssekretär zwecks einem ministeriellen Schreiben, beschließe ich am frühen Nachmittag das Wochenende anzutreten.

++++

Bereits am Vormittag ereilen mich mehrere Anrufe einer zuerst unbekannten Nummer, die ich nicht annehme, nicht weil ich Anrufe mit unbekannten Nummern nicht annehmen würde, sondern, weil ich während der Arbeit mein Handy nicht benütze, es sei denn – so wie heute – wenn der Pubertier krank zu Hause im Bett liegt. Krautundrübens pflegen nämlich vormittags, mittags und nachmittags einen sehr regen Nachrichtenaustausch, aus dem ich mich ausklinke, da ich bei der Arbeit meine Ruhe möchte. Abgesehen davon will man von mir meistens Geld, Lösung von Problemen und Fragen nach Verlorengegangenem („Wo soll ich suchen?“). Beim Überfliegen der Nachrichten sehe ich soeben ein Foto eines mehrfärbig geschwollenen Knöchels eines Fußes, den ich anhand der charakteristischen langen Zehen als Krautundrübensohn-Fuß identifiziere, Sprachnachrichten von mehreren Minuten sind angehängt, aber er kann schreiben und fotografieren, sodass kein Handlungsbedarf meinerseits besteht und ich zur Krautundrüben-Tochter-Nachricht weiter scrolle, die irgendwo aus der weiten Welt von ihrem Filmset ein Foto schickt. Ich recherchiere die Nummer, die mich mehrmals angerufen hat und mir in der Zwischenzeit eine Nachricht schickt. Es ist der Mechaniker, ich überfliege die Nachricht und denke: „Nicht gut!“

++++

Ich komme heim mit einem Gefühl der Überlastung, kuschle mich trotz bevorstehender Reise zu meinem kranken Pubertier, der lauthals, mit hustender, krächzend überschlagener Stimmbruchstimme protestiert, um mich anschließend in meinen Garten zu begeben. Es ist immerhin beinahe ein Sommertag. Ich genieße noch ein wenig, atme tief durch, mein Blick fällt auf den Boden, wo ein großer Käfer sehr zielstrebig an meinem Fuß vorbei krabbelt. Ich denke: „Hallo, alter Bekannter!“

 

Posted von Frau Krautundrübe

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert