Die Arbeit ist erledigt, das Frohe Weihnacht-Wünschen unter den Kolleg*innen auf ein erträgliches Maß reduziert, da schon viele ausgeschwirrt sind mit einem Wir-sehen-uns-eh-noch-vor-Weihnachten, der Frohen Weihnacht dem Schicksal überlassend. Mir soll es recht sein, ich schleiche mich schließlich auch unbemerkt aus dem Gebäude, winke noch schnell dem Portier zu, der mir ein Frohes Weihnachten zuwirft. Ich gehe durch den Park in die Innenstadt. Für die Weihnachtsbeleuchtung ist es noch zu hell, ich schlendere über den Kunstgewerbe-Weihnachtsmarkt, wo seit 30 Jahren Ähnliches angeboten wird. Ich bleibe am Stand mit den originellen Mützen stehen und sehe mir die Keramiken an (kunstvolle Rosenkugeln dürfte es vor 30 Jahren noch nicht gegeben haben…). Auf meinem Weg in die größte Buchhandlung der Stadt liegt noch der internationale Weihnachtsmarkt, der sich schon in angemessener Entfernung durch den Duft von Räucherstäbchen ankündigt. Weder locken mich die farbenfrohen Mützen noch die Ringe und Bändchen am Markt, sondern ich gehe freudig in den Fair Trade Shop für Bobos und kaufe mir dort viel zu teure Ohrringe, die ich meine, verdient zu haben. Ich setze meinen Weg zum Buchladen fort, wo sich bereits beim Eingang an den Kassen sehr lange Schlangen gebildet haben. Ich sehe mich im Erdgeschoß um, wo die Bestseller gestapelt sind und fahre mit der Rolltreppe in den 1. Stock in Vorfreude auf die beiden Bücher, die ich hoffe, bald in den Händen zu halten. Auch im 1. Stock in der Literaturabteilung sehr viele Bestseller und sehr viel Bekanntes. Ich finde alsbald eine junge Buchverkäuferin, die im Computer nach den beiden Büchern sucht und mir knapp und niederschmetternd mitteilt, dass sie die Bücher nicht lagernd hat, aber sie bestellen könnte. Verwirrt und desperat suche ich nach einem Ersatz, der sich aber nicht ergeben will. Im 2. Stock finde ich jede Menge Bücher für sämtliche Lebenslagen. Ich finde den Run auf Lebensratgeber bemerkenswert, steige schließlich noch ein Stockwerk höher, wo mich eine Flut von Kalendern und bunten Notizbüchern empfängt, ich gehe zielgerichtet zu den Reiseführern und Wanderkarten, wo ich auch mit einer Karte fündig werde, die ein nächstes Wanderei-Projekt sein könnte. Ganz ohne Stress bezahle ich dort an einer Kasse, die wohl ein Geheimtipp ist, wie ich beim Verlassen des Buchladens feststelle, wo sich noch immer lange Schlangen vor den Kassen bilden. Ich gehe durch die Herrengasse zur Eiskrippe im Landhaushof, die sich bei Plusgraden im zweistelligen Bereich tapfer schlägt.
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Mit dem Gefühl in der Stadt nichts versäumt zu haben, mache ich mich auf den Heimweg. Auf einer vollen Autobahn mit Blockabfertigung vor dem Tunnel im Stau stehend fahre ich mit vielen anderen Menschen auf Weihnachten zu. Driving home for Christmas. Aus dem Radio schallt Mariah Carey, dann erzählt eine Dame mit weinerlicher Stimme über den Tod ihres Mannes im Sommer dieses Jahres, ich schalte auf einen anderen Sender, wo mich John Lennons Imagine kurz rührt. Ein Blick in die Gesichter der im Stau stehenden, zeigt trotz des unerfreulichen Umstandes viel Zufriedenheit. Morgen würden sie dann eindrudeln, die Krautundrübenkinder, um Weihnachten zu feiern. Heim in die gute Stube! Besinnlich war Weihnachten im Krautundrüben-Haus noch nie, es ist immer sehr laut und sehr umtriebig, die Krautundrüben-Kinder sind unruhige Geister, Ruhelose. Ich werde wie jedes Jahr versuchen, sie mit alt bekannten Ritualen zu verführen, reines Kalkül alles.
Frohe Weihnachten!
Frau Krautundrübe