Genau, so meins ist das auch nicht

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Gelegentlich erhalte ich Anrufe von einer mir unbekannten Telefonnummer, gelegentlich hebe ich ab, vor allem wenn die unbekannte Telefonnummer keine Mehrwertnummer sondern eine Ländervorwahl aus Deutschland zeigt. Meistens meldet sich ein netter Herr aus Hamburg von der Redaktion der Wochenzeitung Die Zeit, der mir eines seiner Produkte schmackig machen möchte. Der letzte nette Herr wies einen – ich vermute – holländischen Akzent auf und überredete mich zu einem zeitlich begrenzten Probeabo für Zeit Online. Nachdem meine regionale Tageszeitung zunehmend qualitativ abbaut, war die Lektüre der Zeit Online-Artikel ein richtiger Genuss. Das Probeabo lief allerdings nach 5 Wochen aus und der nette Herr konnte mich dann nicht überzeugen, ein Dauerabo abzuschließen, was allerdings nicht an der Qualität der Zeitung liegt, sondern am Mangel an Zeit auch alle interessanten Beiträge zu lesen. Was mir aber blieb, ist das Abo der Serie 10 nach 8. Politisch, poetisch, poemisch. von Zeit Online. Regelmäßig (zumindest wöchentlich) finde ich in meinem Posteingang einen lesenswerten Artikel. Initiiert wurde diese Serie von einem vielseitigen Autorinnen-Kollektiv, die auch andere Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, Schriftsteller*innen und Gastautor*innen aus z.B. Ländern, in denen sie verfolgt werden, zu Wort kommen lassen. Die Beiträge werden sehr oft von Frauen verfasst, die noch immer nicht gelöste Frauenthemen behandeln. Unlängst verfasste auch Doris Knecht einen Beitrag in 10 nach 8. Doris Knecht ist eine Wiener Journalistin und Schriftstellerin, deren frühere Bücher im kolumnenhaften Stil ich sehr gerne gelesen habe. Es war die sarkastische Sichtweise auf Dinge wie das tägliche Leben mit Familie, gesellschaftliche Normen und selbstbewusstes Frausein, die mich (gefühlt in derselben Situation damals wie Doris Knecht) in den 2000ern sehr amüsierten. (Diesen gelungenen Sarkasmus von damals vermisse ich allerdings in ihren letzten Büchern, die auf mich sehr bemüht wirken.)

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Doris Knecht und auch andere Autorinnen beklagen in den Beiträgen von 10 nach 8, ihre jeweiligen Situationen als Frauen in ihrer gesellschaftlichen, familiären und beruflichen Lage. Es ist den Frauen in vielerlei Hinsicht recht zu geben. So ist es eigentlich ein Skandal, dass Alleinerzieherinnen keine Kinder zu Aufenthaltsstipendien mitnehmen dürfen, oder Frauen daran gemessen werden, wie schnell sie ihren Fitness- und Schlankheitsgrad nach einer Schwangerschaft wieder erreichen. Nicht nur bei künstlerischen Berufen mit prekären Einkommensverhältnissen, sondern in vielen anderen Berufen ist es für Frauen nach der Geburt eines Kindes nicht möglich, sich eine Auszeit zu nehmen, und das nicht wegen der finanziellen Absicherung, die durch das Kindergeld gegeben wäre, sondern um am Job oder Projekt „dran“ zu bleiben. Das erzeugt Druck, der vor allem Frauen noch immer nicht entspannt sein lässt.

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Als dreifache Mutter tut es mir sehr leid, wenn ich Beiträge lese, wie den von einer Schriftstellerin, die sich als Mutter mit einem Kind im ersten Lebensjahr sehr überfordert fühlt, obwohl sie eigentlich von ihrem Partner gut unterstützt wird. Ich wollte immer Kinder, weil ich Kinder auch wirklich mag. Ich wollte auch meine Arbeit machen, weil ich meinen Job auch wirklich mag. Letztendlich konnte ich dank meines Partners, dank meiner Eltern und Schwiegereltern und dank einer großen Portion Schönredens meine Vorstellungen realisieren. Mein Leben war während der Schwangerschaft mit Frau Kind 1 noch sehr turbulent und als ich mit ihr in einem viel zu großen Maxi Cosi unsere damalige Wohnung betrat, überkam mich ein Hauch von Panik und große Traurigkeit, erschien es mir so eine Woche nach der Geburt, als ob mein Leben vorbei sei. Ich realisierte damals, dass ich dieses kleine Wesen wohl nicht mehr so schnell loswerden würde ( – Und wie habe ich mich getäuscht! Viel zu schnell verging die Zeit und weg war sie!). Wichtig war für mich zu Beginn, die negativen Gefühle zuzulassen und langsam zu dem kleinen Wesen eine Beziehung aufzubauen. So wuchs ich in die Mutterrolle gut hinein und genoss die Monate mit meinem Baby. Dass ich keine Helikopter-Mutter werden würde, zeichnete sich für mich schon bald ab. Gerne teilte ich das kleine Baby auch mit Herrn Krautundrübe und in weiterer Folge mit den Großeltern und gerne nahm ich nach ein paar Monaten stundenweise wieder meine Arbeit auf. Es folgte nach einem Jahr Herr Kind 2, sodass mit der Zeit das Leben mit den Kindern überhandnahm.

Dank der perfekten Kinderbetreuung und später Volksschule fiel mir das Arbeiten immer leicht, wusste ich doch, dass meine Kinder gut aufgehoben sind und Spaß haben. Ich führe es auf meine Entspanntheit und Zufriedenheit in dieser Lebenslage zurück, dass es mit mir auch beruflich bergauf ging, gekrönt durch die Geburt von Pubertier Kind 3. Im Zuge meiner beruflichen Karriereleiter folgten viele wochenlange Auslandsaufenthalte über mehr als zehn Jahre hinweg, die ich dank des Einsatzes von Herrn Krautundrübe und der Großeltern durchführen konnte. Für mich funktionierte es zumindest problemlos. Die zu Teenagern herangewachsenen Kinder konnten mich stets über Whats App erreichen, angerufen wurde ich selten, was ich für ein positives Zeichen hielt. Auf Fragen zu verlorenen bzw. nicht auffindbaren Turnsäcken, Lieblingshaarklammern oder Sportschuhen konnte ich ihnen aus sämtlichen südeuropäischen Destinationen sagen, wo sie die jeweiligen Dinge finden würden, der Mailverkehr mit den Klassenvorständen funktionierte selbst vom hintersten Winkel der Türkei – was will man mehr! Alles bestens!  Erst viel später wurde mir bewusst, dass es für die Kinder sehr oft keine Mutter gab, die da war, wenn man aus der Schule heimkam, frustriert, gekränkt und vor allem hungrig war, keine Mutter war da, mit der man sich stritt oder lachte, die nervte und peinlich war. Bewusst wurde mir alles, als die großen Kinder ausgezogen waren und nun das große Haus sehr leer ist. Meine Familie war mir beruflich nie im Weg, auch wurde ich nie auf mein Frausein im Sinne von Muttersein reduziert. Alles ganz entspannt, bis ich von meinem wenig älteren Chef in meinen Endvierzigern darauf hingewiesen wurde, dass er sich für meinen Posten nun jemand Jüngeren vorstellen würde und auf meine Einsicht pochte, während meine männlichen Kollegen mit Mitte Fünfzig auf den Höhepunkt ihrer Karriere zugingen. (Beim Anblick der neuen jungen Kollegin widerfährt den männlichen Kollegen ein glucksendes Lachen aus tiefster Kehle, einfach zum Kotzen!)

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Ich bin nun nicht mehr entspannt.

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Zurück zu Doris Knecht. Es braucht noch viele Büchertische. Solange Autofiktionalisten über literarisch, aufbereitete Probleme mittelalter Männer superreich und supererfolgreich werden, auf Buchdeckeln von weiblichen Autorinnen ein Sticker mit „Frauenliteratur“ geklebt wird, sich junge Mütter so unter Druck sehen, dass sie ihr Baby wie ein Projekt behandeln, Sandra Bullock und Heidi Klum ihre Gesichter zur Unkenntlichkeit schönoperieren müssen, Ingrid Turnher bald auf den Dachboden des ORF verbannt werden wird und Frauenaltersdiskriminierung immer mehr hochlebt, gebe ich Doris Knecht recht, denn meins ist das auch nicht.

 

Frau Krautundrübe

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