Nach einer Woche auswärts bin ich froh, wenn ich meine Arbeit von zu Hause aus verrichten kann. Abgesehen davon, dass man sich nach verordnetem Home Office teilweise daran gewöhnt hat, ist während der vorsommerlichen Feiertage personelle Fluktuation im Büro obligatorisch vorprogrammiert. Ich hatte keine angenehme Arbeit vor mir, die viel Konzentration erfordern würde, die zu Hause leichter zu halten war. Außerdem wollte ich mir die verbliebene Zeit mit Haushalt und Pubertier Kind 3 vertreiben.
Anfangs genoss ich die Ruhe und konnte alles recht zügig abarbeiten. Nach und nach nahmen allerdings die Haushaltsangelegenheiten mehr Zeit in Anspruch. Ich frage mich, wie ich das vor ein paar Jahren gemanagt habe? (Da war ich wohl noch nicht so haushaltsversessen…) Beim Einsammeln der Schmutzwäsche in Pubertier Kind 3s Zimmer fiel mir wieder ein, dass er mir während meiner Abwesenheit letzte Woche fehlte und ich diese Woche Zeit mit ihm verbringen wollte. Immer öfter kommen Überlegungen, wie es sein wird, wenn auch er ausgezogen ist.
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Als Frau Kind 1 vor nunmehr drei Jahren in eine WG zog, litt ich unglaublich. Das Leben mit den drei männlichen Wesen war ein anderes. Mit dem gemeinsamen Schauen von Fußballübertragungen, Formel 1, Football, Tour de France, ja sogar Poolbillard konnten sich die Herren bestens die Zeit vertreiben. Als Herr Kind 2 letztes Jahr auszog, litt ich zwar wieder unglaublich, aber schon viel kürzer. Ich hatte mich schon bald an die Vorzüge unserer Dreierzusammensetzung gewöhnt. Es wurde viel ruhiger, viel geordneter, viel sauberer im Haus. Außerdem wollte ich meine Zeit Pubertier Kind 3 widmen. (In meinen Gedanken wollte ich ihm gesundes Essen kochen, mit ihm Laufen oder Radfahren gehen oder gemeinsam einen Film ansehen. Das ist wohl dem Muttersein mitgegeben, alles zu verklären.)
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Der Alltag ist anders: ich stehe sehr früh auf, damit ich zuerst im Bad bin und dann noch Zeit für Kaffee bleibt bzw. die Schuljause für Pubertier Kind 3 bereitet werden kann. Spätestens wenn ich das Surren seiner elektrischen Zahnbürste vernehme, weiß ich, dass er aufgestanden und geduscht ist, sodass von meiner Seite kein Handeln notwendig ist. Darüber bin ich immer erfreut, da Reden am Morgen schlecht aufgenommen wird – das weiß man beim 3. Kind und schweigt einfach. Wenn er nicht mit mir im Auto fährt, was für das Pubertier Kind 3 sehr zwiespältig ist, da er einerseits auf die Bequemlichkeit nicht verzichten möchte, andererseits aber meine Anwesenheit (mit Lieblingsmorgenradio) im Auto ertragen muss, fährt er mit dem Zug. Ich wünsche ihm jeden Tag einen schönen Schultag, er sagt nichts. Nach der Schule trifft er sich mit Freunden zum Skaten oder Basketballspielen. Er geht auch mehrmals die Woche zum Basketballtraining. Ich hole ihn oft vom Training ab, damit er nicht zu müde nach Hause kommt. Das Daheimsein widmet er vordergründig dem Essen und dem Duschen, was er nach seinen ausgiebigen sportlichen Aktivitäten auch nötig hat. Bereiche für die Allgemeinheit, wie Küche, Wohnzimmer oder Garten meidet er. Er verbringt die Zeit in seinem Zimmer. Die Wochenenden verbringt er mit Basketballmatches und vor allem mit Freunden, die häufig zu uns kommen. Gesprochen wir das nötigste in möglichst kurzen Sätzen.
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Insgesamt wird sehr viel „geschrieben“. Pubertier Kind 3 berichtet mir schriftlich seine Noten in der Schule, wo er gerade ist, mit welchem Zug er fährt, wo und wann ich ihn abholen soll, ob und welches Essen es gibt und welcher Freund mit zu uns nach Hause kommt. Er fragt mich schriftlich auch oft nach Dingen, die er nicht findet. Rufe ich ihn an, weil das Schreiben oft viel mehr Zeit in Anspruch nimmt, hebt er manchmal mit den Worten „Was ist?“ ab.
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Inzwischen versinke ich in meiner eigenen Welt. Ich gehe meiner Arbeit nach oder meinen Beschäftigungen und bin ganz bei mir. So sehr, dass ich vergesse, dass Frau Kind 1 gerade in Rom weilt. Ich möchte ihr schreiben, ob sie auch gut angekommen ist. Ich überlege, wie lange sie denn schon in Rom ist und gehe davon aus, dass es ihr gut geht. Da klingelt das Telefon und Frau Kind 1 fragt nach Tipps bezüglich Tickets bei Billig-Airlines, Einchecken und Überbuchen. Sie organisiert alles und kommt pünktlich wieder in Wien an, wie sie uns in der Familiennachrichtengruppe mitteilt.
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Ich überlege: Das Echo ihrer Schritte hallt auf ihren eigenen Wegen immer weniger zu mir nach. Da höre ich das vertraute Über-die-Stiege-Rumpeln und den Rhythmus der Schritte von Pubertier Kind 3. Er hebt die Stimme zu einem kurzen Ich-geh-jetzt-und-komm-bald. Dann vernehme ich sein lautes Peppeln mit dem Basketball. Ich stehe auf, gehe zur Tür und sehe wie er fest entschlossen weggeht. Ich sag „Tschüss“. Er dreht sich langsam um, blinzelt und lächelt mich verschwörerisch an.
Frau Krautundrübe