Wenn mir alles zu chaotisch wird, dann denke ich daran, dass früher alles besser war. Es war zumindest alles besser eingeteilt, wodurch es überschaubarer und kalkulierbarer wurde. Meine junge Mutter, die für mich immer eine junge Mutter sein wird, hatte die Schule noch im Koffer, als sie mit meinem Vater und mir einen Haushalt gründete. Jedenfalls erinnere ich mich an das Kochbuch mit einer dunkelhaarigen Frau am Cover, die den Kochlöffel schwang. Meine junge Mutter las sich dort offenbar ihre Küchengeheimnisse heraus. Das Mittagessen war wöchentlich tageweise eingeteilt in Gemüsesuppentag, Spinattag, Palatschinkentag. Auch die festlichen Rituale waren eingeteilt. So bekam man zur Taufe ein Taufketterl, zur Erstkommunion eine Armbanduhr und zur Firmung Ohrringe. Für mich gab es kleine Kreolen in Rotgold. Ich hütete sie an meinen Ohren wie einen Schatz. Trotzdem verschwand eines Tages im See beim Baden ein Ohrring. Mit einem Gefühl der absoluten Aussichtslosigkeit stand ich fuchtelnd am Steg, als ein junger Bursche meine Misere erkannte, seine Taucherbrille richtete und kühn vom Steg in den See köpfelte, um mein Ohrring im trüben Seewasser zu suchen und das Verlorene alsdann sofort zu finden. Überwältigt vom Glück des Findens überreicht mir der Bursche den Ohrring und verlässt mit stolz geschwellter Brust den Steg, weil er nicht nur über das Unmögliche siegte, sondern auch die Wahrscheinlichkeit ausgetrickst hat.
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Die Wahrscheinlichkeit trickst Herr Krautundrübe neuerdings mehrmals die Woche aus. Nachdem er einen ertragreichen Pilzplatz in einem Hochwald in der hintersten Ecke eines Grabens vermutet, sucht er nach Pilzen und Schwammerln. Das ersehnte Finderglück führt ihn bei jedem Wetter nach der Arbeit in den Hochwald, wo er mit Hemd, Sakko und aufgekrempelter Hose nach einem Schuhwechsel mit seinem Schwammerlmesser nicht lange nach Pilzen sucht und sein Finderglück jedes Mal kaum fassen kann.
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Ob das Glück des Findens bei der Wahl meines Berufes ausschlaggebend war, kann ich nicht ausschließen, jedenfalls bin ich eine studierte Sucherin und Finderin, eine Spezialistin für systematisches Suchen und Finden. Diese Such-Systematik macht mich in meinem familiären Umfeld unschlagbar, weshalb ich auch während meiner Abwesenheiten im ferneren Ausland gerne kontaktiert werde, wo denn das Krautundrübenkind nach dem fehlenden schwarzen Socken mit den gelben Ananas suchen solle oder Herr Krautundrübe einmal mehr seine Lesebrille sucht und telefonisch eine systematische Suchanleitung erbittet. In den meisten Fällen kommt meine Antwort wie aus der Pistole geschossen. Nachdem sich das Glück beim Suchenden nach dem Finden eingestellt hat, ernte ich viel Bewunderung.
Zwecks Erfahrungsaustausch ziehe ich mittlerweile in Erwägung, mich mit dem Heiligen Antonius von Padua, dem Schutzpatron für Verlorenes zu treffen.
Frau Krautundrübe