Während sich die Krautundrüben-Kinder im Schnee und in Afrika tummeln, schwingen Herr Krautundrübe und ich in ausgelassener Faschingsstimmung das Tanzbein auf dem Stadtball. Obwohl ich bequeme hohe Schuhe wähle, melden sich schon früh meine Sneaker-verwöhnten Beine mit Ballen- und Zehenschmerzen, sodass wir auf mein Insistieren hin einigermaßen zeitig den Ball verlassen. Die Big Band, die im Untergeschoss bis in die Morgenstunden für gute Tanzstimmung sorgt, versäume ich diesmal zugunsten eines erholsamen Schlafes, sodass ich heute einigermaßen frisch und ausgeschlafen ein bekömmliches Frühstück genieße. Jedoch, schon beim Aufstehen ziehen das Kreuz und die Oberschenkel, beim Auftreten schmerzen die Fußballen und die Zehen. Ich weiß, dass Tanzen sehr konditionsintensiv sein kann und im Überschwang vergisst man bald die Grenzen und vielleicht auch das Alter? Allenfalls werde ich meinen Muskelkater doch zum Anlass nehmen, den schon oft intendierten Tanzkurs endlich in Angriff zu nehmen. (Die Krautundrüben-Tochter erzählte mir unlängst von ihrem Lindy-Hop-Tanzkurs, vielleicht auch tatsächlich Lindy Hop?)
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Der Tag ist heute grau und sehr verregnet, was Draußensein nicht begünstigt und für mich heute ausschließt. Ich räume in meinem Arbeitszimmer ein wenig herum, schiebe die Bügelwäsche von einer Ecke in die andere. Der Bügeltisch mit dem Bügeleisen steht noch prominent mitten im Zimmer, das ich gestern nach dem Aufbügeln der Anzughose und des Hemdes für Herrn Krautundrübe nicht mehr weggeräumt habe. Bügeln gehört absolut nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen und wird ausdrücklich oft aufgeschoben, umso mehr erstaunt es mich, dass mein Arbeitszimmer zugleich das Bügelzimmer geworden ist. Der Bügeltisch ist mindestens zwanzig Jahre alt. Es reicht für mich die Überzüge regelmäßig zu tauschen, wobei für dieses Modell kein passender Überzug mehr im Handel verfügbar ist, weshalb ich kreative Lösungen finden muss, um den Überzug im Bereich der Tischfläche zu straffen. Die Krautundrüben-Mutter will mich gerne von einem neuen, großen, modernen Bügeltisch überzeugen, was ich jedes Mal dankend ablehne, da ich so ein großes Ungetüm nicht in meinem Haus haben möchte. Nachdem ich mir auch kein neues, modernes Bügeleisen leiste, versorgt mich die Krautundrüben-Mutter regelmäßig mit alten Bügeleisen, sodass ich eine Auswahl von drei wenig bis stark verkalkten Bügeleisen habe, was das Bügeln von weißen Hemden durchaus spannend macht, wie im Fall des Maturaballs des Krautundrüben-Sohns damals, wo sich beim Bügeln des weißen Anzugshemdes offenbar Kalk löste, der bräunlich über die Hemdschulter auslief, sodass Herr Krautundrübe in der Eile mit dem Maturaball-gestressten Krautundrüben-Sohn ein neues weißes Anzugshemd kaufen musste. Seitdem gibt es ihm Krautundrüben-Haus immer ein weißes Anzugs-Ersatzhemd.
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Der Fasching findet nach den Corona-schweren Jahren wieder zurück in den Jahreskreis. Es gibt sie wieder die Faschingsumzüge. In meinem Dorf fuhren gestern die geschmückten Traktoren durch die Straßen und wurden von vielen Maskierten beklatscht. Erstaunt bin ich, als mir eine Mitarbeiterin erzählt, dass in den Kindergärten und Volksschulen im Faschingsverkleidungskontext Schusswaffen jeglicher Art verboten seien. Das heißt, die Zeit der Faschingscowboys, der Ritter und vor allem Indianer ist endgültig vorbei. Ich finde diese Verbote und Einschränkungen auch deshalb so übertrieben, weil das digitale Gaming gerade für Kinder und Jugendliche so viel mehr abstrakte Gewalt beinhaltet, wo man die Wirkung so gar nicht abschätzen kann und ich gerne mehr Kontrolle sehen würde.
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Die Krautundrüben-Söhne melden sich. Vollkommen durchnässt vom Schnee werden sie die vierstündige Fahrt antreten, um nach Hause zu kommen, in froher Erwartung vor der heutigen nächtlichen NFL-Superbowl. Ich hole noch aus der heute wegen Faschingssonntag geöffneten Bäckerei sechs Faschingskrapfen, gut gefüllt mit Marillenmarmelade. Um weiteres Essen kümmere ich mich nicht, es wird NFL-Burger in der Nacht bereitet.
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Der jungerwachsene Krautundrüben-Sohn sucht zu Hause im Keller nach der Kiste mit den Faschingsverkleidungen. Er möchte sich in altbewährter Manier wie seinerzeit in Kinderjahren für den Studierenden-Faschingsball als Räuber Hotzenplotz verkleiden, da seine Freundinnen ihm sonst ein Feen-Kostüm verpassen möchten. Er findet schließlich den Räuberhut, deckt sich auch noch mit einem Faschingsplastikmesser ein, um auch wirklich als Räuber zu überzeugen, an die Pistole denkt er vorerst nicht. Ich erinnere ihn, dass der Räuber Hotzenplotz (eines der Lieblingsbücher der Krautundrübenkinder von Otfried Preußler) immerhin ein Dieb, Entführer und Erpresser von alten Damen ist, der mit nicht in der Gesellschaft etablierten Personen wie dem Petrosilius Zwackelmann gemeinsame dubiose Sache macht, und ob er nicht besser den braven Polizisten Alois Dimpfelmoser als Faschingsverkleidung wählen möchte, oder den kleinen Indianer Minitou. Er verneint, wir schauen uns an und halten uns den Bauch vor lauter Lachen. Nix da mit Cancel Culture, aber bei der Suche nach der Spielzeugpistole, die sich nicht in der Verkleidungskiste befindet, stelle ich mich aus gutem Grund unwissend.
Frau Krautundrüben