Auf den österreichischen Nationalfeiertag am 26. Oktober sind wir dieses Jahr bereits Tage vorher mit einschlägigen Fernsehbeiträgen über unser schönes Land, vermehrt alten Hadern von Austropopmusikern im Radio und Beiträgen von verdienten Österreicher*innen in den Printmedien vorbereitet. (Seit geraumer Zeit beginnen mit dem Nationalfeiertag die Herbstferien, die ich – seit ich keine Betreuungspflichten mehr habe – sehr begrüße, da ich den Pubertier nicht mit Lernaufforderungen nerven muss, allerdings auch nicht verstehe, warum der Schulbetrieb, nachdem er gerade angelaufen ist, schon wieder Ferien braucht.)
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Ich freue mich nichtsdestotrotz auf den heutigen Feiertag, den Nationalfeiertag, wo der letzte Besatzungssoldat 1955 Österreich verlassen hat. So haben wir das in der Schule damals gelernt, als wir rot-weiß-rote Fahnen malten, die wir auf ein Holzstäbchen anbrachten und stolz schwenkten oder gut sichtbar auf unsere Kinderzimmerfenster platzierten. Im Geiste sehe ich noch immer die Rückenansicht des einsamen Soldaten, der mild und müde schreitend Österreich verlässt, so wie uns das damals in der Schule erzählt wurde. (Nachdem am 15. Mai 1955 der Staatsvertrag unterzeichnet wurde, hatten die Besatzungsmächte 90 Tage Zeit Österreich zu verlassen. Demnach musste am 25. Oktober 1955 der letzte Soldat das Land verlassen haben, woran schließlich jährlich am 26. Oktober erinnert wird, zur Erklärung nur.)
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Ich bin froh, hier in Österreich zu leben, wobei ich früher einmal froher war. Das heißt, ich begegne meinem Geburtstland Österreich relativ emotionslos, was stark an den rechtslastigen Landsleuten und der daraus resultierenden Politik liegt. Wenn ich allerdings im Ausland nach meiner Nationalität gefragt werde, sage ich immer sehr schnell, dass ich Österreicherin bin, um auch ja kein Missverständnis aufkommen zu lassen, dass man eventuell als Deutsche bezeichnet wird. Das würde gar nicht gehen, und jawohl, da bestehe ich dann gerne auf mein Heimatland. Wobei Deutsche in Österreich immer sehr willkommen sind, weil sie auch verlässlich Geld bringen und zuletzt auch die größte Zahl an Zuwanderern im ganzen Land aufweisen, was prinzipiell niemanden stört, da man natürlich nichts gegen Deutsche hat, die ja noch immer eine repräsentative Größe in Europa und im Weltgeschehen aufweisen im Gegensatz zum kleinen, monarchiebefreiten Österreich, obwohl sie gleich viele Weltkriege wie wir verloren haben. (Das mit dem Humor haben die Lieblingsnachbarn leider noch immer nicht hinbekommen, dafür schätze ich deren Fortschrittlichkeit, mit der zum Beispiel heikle Klimafragen gelöst werden oder auch ihre Bereitschaft, sich gründlicher mit historischen Fragen auseinanderzusetzen, wohingegen der durch Wahlen messbare Rechtsruck in Österreich bereits 30 Jahre früher als in Deutschland zu einem latenten Problem heranreifte. Ließe sich noch lange fortsetzen.)
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Um dem schönen Österreich weiterhin gesund und stark zu dienen, führte man am Nationalfeiertag den Fitmarsch ein. Frühmorgens versammelt man sich – häufig am Vorplatz der örtlichen Feuerwehren in den Gemeinden, um gemeinsam zu wandern. Ankündigungen für Fitmärsche am 26. Oktober sieht man nur mehr vereinzelt, die Tradition des Wanderns mit Familie und Freunden ist vielen Menschen an diesem Tag geblieben.
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Ich mache mich ebenfalls am Morgen des 26. Oktobers zu einer Wanderung auf, nicht nur wegen der Tradition, sondern weil ich schon lange keine Wanderung unternehmen konnte und meinen Bewegungsdrang stillen will. Ich entschließe mich zwecks der Nachhaltigkeit (Autoverzicht) und der Zeitersparnis für den Hausberg, der steil bergauf führt, dann aber über 14 km durch wunderschöne Laubwälder über eine große Schleife zu begehen ist. Wegen des nächtlichen Regens tummeln sich am Weg noch viele Feuersalamander. Es ist faszinierend wie angepasst sie an ihre herbstliche Umgebung sind. Ich erschrecke, als ich am Weg mächtig vor mir stehend eine Gämse erblicke, die nach einem lauten Händeklatscher meinerseits mit einem Satz davonspringt. Während der Wanderung begegnet mir kein Mensch, ich stehe am Gipfel, von dem man eine hervorragende Aussicht bis nach Slowenien hat. Die Stadt versteckt sich bereits im herbstlichen Nebel, der sich aufgrund der aufsteigenden Schwaden nach und nach lüftet. Mein Blick geht zurück in meine Gemeinde, wo ich im Gewirr der Dächer nach meinem Haus suche, in dem der Pubertier und Herr Krautundrübe noch schlummern. Ein leichtes Heimatgefühl macht sich in dieser friedlichen, stillen Landschaft und Umgebung bemerkbar. Ich fasse mich wieder, mache mich bereit für den Abstieg. In diesem Moment werde ich von einer Horde Menschen eingekreist, die den Gipfel einnehmen und lustig plappernd sich und mir eine Schnapsflasche reichen und sich ebenfalls an der schönen Aussicht und Umgebung erfreuen. Nach einem „Geh, komm-mit-mit uns“, schließe ich mich der Fitmarsch-Gruppe an und entschließe mich für den kürzeren, sehr gesellig verlaufenden Rückweg mit einer Jausen-Einkehr und noch ein paar Stamperl Schnaps. Der Fitmarsch in seiner ursprünglichsten Form lebt!
Frau Krautundrübe