Die tägliche Erinnerung von einer beliebigen Seite, wie wir es denn so mit der KI haben, folgt auf dem Fuß. Sie schleicht sich langsam, aber sicher und offenbar unvermeidbar in immer mehr Alltagsbelange.
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So fällt mir unlängst auf, dass bei den Suchergebnissen von Google eine KI generierte Zusammenfassung erscheint. Ich lese mir die Übersicht mit KI durch. Es gibt zuerst eine Zusammenfassung und schließlich eine Aufzählung von Punkten, die beachtet werden sollen, alle brav verlinkt mit den jeweiligen Seiten. Am Ende der Aufzählung steht kleingedruckt Generative KI ist experimentell, was bedeutet, dass sie im Training ist. Ich lese mir den Text wiederholt durch und folge den Links. Die KI generierte Zusammenfassung zu Beginn des Textes ist nach Abgleich mit den verlinkten Seiten nicht richtig, das heißt, es ist von der generativen KI falsch interpretiert. Konkret geht es um eine versäumte Frist zur Weitermeldung eines bestehenden Studiums an einer Universität, wo die Übersicht mit KI zusammenfasst, dass man die Möglichkeit hat, sich nach der Frist nachzumelden, aber den Studienbeitrag einzuzahlen hat, was man am besten in der Studienabteilung der Universität löst. Das ist per se nicht falsch, da man sich nach einer Frist – von zwei Semestern – tatsächlich nach Entrichten des Studienbeitrags, den man aber ohnehin immer einzahlen muss, wieder zum Studium anmelden kann. Für das laufende Semester gilt das allerdings nicht, man kann sich nicht weitermelden, wird sogar exmatrikuliert und verliert den Anspruch auf Familienbeihilfe. Das kann man auf den jeweiligen Websites lesen, oder aber auch in der Studienabteilung erfahren.
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Ich warte schon seit mehreren Tagen auf ein Paket, das nur mit Unterschrift zugestellt werden kann. Per Noreply-Mail bekomme ich zwei Ankündigungen für die Zustellung jeweils um 10 Uhr vormittags, wo es mir nicht möglich ist, zu Hause zu sein. Nachdem ich beim Online-Kauf meine Handynummer bekannt geben musste, erwarte ich mir einen abgesprochenen Zustelltermin per Telefon. Aber nein, vermutlich aus Datenschutzgründen, werde ich nicht kontaktiert, sondern bekomme eine weitere Noreply-Nachricht per Mail, dass der Absender das Paket in einem Verteilerzentrum des Paketdienstes „geparkt“ hat. Nach zwei verstrichenen Tagen ohne weitere Nachrichten zur Zustellung versuche ich beim Paketdienst eine Auskunft zu meiner Sendung zu bekommen. Es gibt nur eine „globale“ Telefonnummer, die ich sogleich eintippe, stelle mich auf ein Gespräch in englischer Sprache ein und überlege mir ein paar Wörter dazu, aber es meldet sich sogleich in deutscher Sprache eine KI, die mich auffordert zu den zutreffenden Aussagen mit „Ja“ zu antworten. Nach 10 Minuten merke ich, dass wir uns im Kreis drehen, da das für mich Zutreffende nicht dabei ist. Ich sage der KI-Frauenstimme, dass ich nicht mehr mag, woraufhin sie festhält, dass ich sicher mit einem Servicemitarbeiter sprechen möchte, was ich freudig bejahe. Ich hänge schließlich nur kurz in der Schleife, als sich der Servicemitarbeiter in gebrochenem Deutsch meldet. Nachdem ich selbst weiß, wie schwierig es für mich mit dem Türkisch-Lernen läuft, bemühe ich mich – trotz Ungeduld, mein Anliegen klar zu formulieren. Ich interpretiere schließlich aus dem gebrochenen Deutsch, dass ich mich an den Verkäufer wenden muss, damit er das Paket im Verteilerzentrum freigibt. Ich suche vergeblich nach einer Telefonnummer, finde aber in meinem Maileingang das Bestätigungsmail für den Kauf personalisiert – also mit Namen! Oha, was ist denn da los? Ich schreibe sogleich mein Anliegen an den Absender und bekomme umgehend eine KI generierte Antwort unter eben diesem Namen. Sehr klug! Das Unternehmen, das bekannt ist für Nachhaltigkeit, Innovation und sozialem Engagement, personalisiert offenbar namentlich seine KI? Es werden mir wiederum die Möglichkeiten aufgezeigt, um das Paket zu erhalten, wie z. B. das Anlegen eines Kundenkontos beim Paketzusteller, um dort die Unterschrift zu hinterlegen bzw. online einen Termin auszumachen. Als ich der KI antworte, dass ich kein Kundenkonto beim Paketzusteller anlegen möchte, verweist sie mich auf einen Servicemitarbeiter, der sich bei mir melden wird, worauf ich noch immer warte.
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Umso aufmerksamer lese ich in meiner Morgenzeitung einen Beitrag zum Kaffeekonsum als Spiegel der Konjunktur und denke dabei an meinen Fair-Trade-Bohnenkaffe, dessen Preis sich in den letzten Jahren verdoppelt hat. Während global gesehen die am Kaffeetrinken interessierte Mittelschicht steigt, wird befürchtet, dass bald aufgrund der Klimakrise 60 % der Kaffeeanbauflächen nicht mehr bewirtschaftet werden können, da Kaffee stark an den Wetterextremen leide, sodass Ernteausfälle die Folge sind, was wiederum zum Preisanstieg führt. Nicht am erhöhten Preis, sondern an der hartnäckigen Rezension der heimischen Industrie liegt der rückläufige Absatz von Automatenkaffee. Gegengesteuert soll durch den Einsatz der KI zur Absatzprognose und einer dynamischen Planung von Routen der Techniker:innen und Befüller:innen werden, indem die Routen vom Algorithmus bestimmt angefahren werden. Außerdem sollen alle Automaten mit einer Zentrale vernetzt sein, um zentral gesteuert zu werden und um so auf die wichtigen Absatzmärkte zu reagieren. Ich werde die nette Dame, die die Automaten in meinem Stockwerk an der Uni mit der Befüllung einen Vormittag lang blockiert, da sie sämtliche Vorbeikommende in Gespräche verwickelt oder zwischendurch im Hof eine Zigarette raucht, vermissen. Sie könnte durchaus dem Algorithmus zum Opfer fallen.
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Insgesamt haben mir meine KI-Begegnungen im Alltag in den letzten Tagen viel – wie ich meine – unnötige Zeit ohne Mehrwert gekostet.
Frau Krautundrübe