Wer kennt Traianos Dellas, die Nummer 5?

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Es ist Derby. Nach 15 Jahren matchen sich die beiden in der Stadt verankerten und vergeschichteten Fußballvereine wieder. Das Fußballstadion soll schon lange ausverkauft sein, die Sicherheitskräfte sind alarmiert und die Fahnen gebügelt.

Es soll Menschen geben, die schon nach der Geburt mit dem Strampelanzug in den Vereinsfarben mit Logo der bevorzugten Fußballmannschaft gekleidet werden. Die erste Schulausstattung besteht aus Bleistiften, Radiergummis und Federpenalen der Lieblingsmannschaft. Omas werden beauftragt Schals in den Teamfarben zu stricken, selbst das Biertrinken richtet sich nach dem jeweiligen Vereins-Sponsor. In den Erinnerungen bleiben originelle Schimpfwortkreationen aus Mündern von Verwandten, von denen man es nicht erwartet, gespickt mit baritonähnlichen Seufzern, tenorhohen Freudenschreien und stakkatorhythmischen  Flüchen. In den meisten Fällen wird das Familienerbe angetreten.

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Meine Begeisterung für jegliche Art von Sportvereinen hält sich seit jeher in Grenzen, es sei denn, es handelt sich um den gerade aktuellen Verein eines der Krautundrüben-Kinder. Dabei sind die rhythmische Sportgymnastik und die Reitturniere schon weit ins Hinterstübchen geraten. Zu oft stand ich gedanklich im Tor, war Innenverteidigerin oder im defensiven Mittelfeld. Weniger gefiel mir der Running Back und nunmehr begeistere ich mich beim Dunken. Dabei ist das „Gedanklich“ wörtlich zu nehmen, beschränkt sich meine mütterliche Unterstützung am Spielfeldrand vor Ort auf wenige Male, da meine Anwesenheit angeblich kein Glück bringt. Das erste Fußballtrikot im Krautundrüben-Haus trug auf der Rückseite die Nummer 5 mit dem Namen Dellas. Wir erstanden es im Zuge des ersten Griechenland-Familienurlaubs, in dem zeitgleich die Fußball-EM in Portugal stattfand und bei der die Griechen ausgerechnet im Finale standen und Europameister wurden. Das Silver Goal in der 105. Minute gegen Tschechien erzielte im griechischen Team ein sogenannter Traianos Dellas, womit er die Griechen ins Finale schoss. Er wurde schließlich zum Helden, wurde auch wegen seiner Größe und der eventuell (v)erkannten Herkunft aus dem Reich der griechischen Mythologie „Koloss von Rhodos“ genannt. Außerdem gibt es im Trikot-Fundus einige FC Barcelona Trikots mit der Nummer 10 von Messi, aber auch Mbappe, Neymar und Bale, alle in einer Kiste gesammelt, aus unverwüstlichem (türkischen) Polyester, was gut ist, da sie angeblich Geschichte schreiben.

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Nach fünfzehn Jahren ist der aktive Fußball im Krautundrüben-Alltag endgültig passé. Trotzdem versammelt man sich frühabends nach und nach vor dem Fernseher, um das Fußball-Derby zu verfolgen. Seit Jahren wird rund um mich mehrheitlich der eine Fußballverein in der Stadt verehrt. Dass das jüngste Krautundrüben-Kind beim gegnerischen Stadt-Verein aktiv tätig war, ist der topographischen Lage von Trainingsort und Wohnort geschuldet. Ich selbst involviere mich nicht in die Fußballwelt, in die Welt des runden Leders, hoffe aber wie alle anderen, auf unseren bevorzugten Verein, verfolge alle Uhhh, Ahhh, Was-soll-das Rufe, die mir im Gleichklang im Chor entgegenhallen mit Interesse. Plötzlich ein einzelner energischer „Ja, abgeben und gemma“-Ruf. Stille im Raum, alle Blicke auf denjenigen gerichtet, der es tatsächlich wagt, für den „falschen“ Verein zu hoffen.

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Um Herrn Krautundrübe einen Herzenswunsch zu erfüllen, ist das nächste Derby bereits geplant: Im März 2023 in Rom wird im Stadio Olympico auf alle Fälle „Grazie Roma“ gesungen.

 

Frau Krautundrübe

 

 

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