Das neue Jahr ist immerhin schon eine Woche alt. Im chinesischen Horoskop ist das Jahr 2023 das Jahr der Hasen. Es könnte auch das Jahr der Trainingshosen sein, das Jahr der schönen Sonnenuntergänge, oder das Jahr der besonders guten Vorsätze, sowie es auch immer ein jeweiliges Kulturjahr, ein Sportjahr und ein Veranstaltungsjahr gibt. Ich würde mir wünschen, dass es ein Jahr des wiedergefundenen Friedens wird, ein Jahr der Einsicht hinsichtlich der Klimakrise, ein Jahr ohne gröbere Unwetter und Klimakatastrophen, ein Jahr der Frauen im besten Alter – ah, da wäre ich schon beim Jahr der unliebenswürdigen Frauen, das eine von mir sehr geschätzte Journalistin ausgerufen hat.
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Zum Jahr der unliebenswürdigen Frauen:
Heldin 1: Sie kommt angerannt, ist leicht außer Atem und stoppt bei einem Mann in Anzug und Krawatte ab. Sie scheinen etwas Großes vorzuhaben. Er erblickt ihre Turnschuhe, die Hose, die bei den Hüften einschneidet und etwas zuviel an Fettwürsten preisgibt, zieht eine Augenbraue hoch und fragt :“Hast du nix Anständiges zum Anziehen? Wirklich so?“ Sie antwortet: „Ja so.“
Heldin 2: Ich parke am Parkplatz meines bevorzugten Discounters auf meinem gewohnten Parkplatz schwungvoll zwischen zwei Autos ein, steige aus und sehe mich mit einer mächtigen Frau konfrontiert. Sie: „Spinnst Oide? Wia sui i do wieda in mei Auto eini kuman?“ Ich will zu einer Entschuldigung ansetzen, sagt sie glatt zu mir: „Schleich di, aber flott, Pupperl.“ Das hat gesessen.
Heldin 3: Ich ordere für eine Buskarte 1x Erwachsene und 3x Kinder. Die Kartenverkäuferin blickt schräg von unten herauf auf die Krautundrübenkinder, gibt mir 3 Erwachsenenkarten und eine Kinderkarte für das Pubertier mit den Worten: „Schauns amoi, des san doch kane Kinder mehr, jo für Sie vielleicht.“ Sie hätte zumindest Ausweise verlangen können.
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Heldin 2 und 3 zu Heldinnen zu erklären, war nicht ganz einfach. Was hindert aber wirklich daran, Frauen wertzuschätzen, die dem lieblichen Weibchenschema nicht entsprechen und gesellschaftliche Erwartungen nicht erfüllen. Im Englischen wird das Phänomen mit den unlikeable female characters subsumiert. So gibt es auf Instagram einen Account von @unlikeablefemalecharacters – einem Podcast über Frauen, denen es egal ist, ob sie liebenswert rüber kommen. Ebenso werden unlikeabele female characters in der feministischen Literatur gefeiert. Das heißt, dass nicht-liebenswürdige, nicht-sympathische Frauen, die von Gesellschaft, Kunst und Medien gemieden werden, nun mehr beachtet werden sollen? Echt? (Ich sehe gerade eine 10-Minuten-Pausenfüller-Quiz-Show im Fernsehen mit einer langbeinigen, sehr langhaarigen jungen Moderatorin, gefolgt von der Wettervorhersage mit der Ansagerin in hochhakigen Schuhen und knappen Kostüm.)
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2023 das Jahr der muffigen, selbstsüchtigen, unvollkommenen unliebenswürdigen Heldinnen, wie wir es im echten Leben eh schon lange kennen, aber gerne verdrängen. Ich werde weiterhin freundlich, nett, adrett und hoffentlich auch liebenswürdig sein, weil ich das gerne bin und es – wie ich glaube – auch meinem Wesen entspricht, aber warum nicht auch dazulernen?
Heldin 4: Ich parke am Parkplatz meines bevorzugten Discounters auf meinem gewohnten Parkplatz schwungvoll zwischen zwei Autos ein, steige aus und sehe mich mit einer mächtigen Frau konfrontiert. Sie: „Spinnst Oide? Wia sui i do wieda in mei Auto eini kuman?“ Ich will zu keiner Entschuldigung ansetzen, hole Luft, fauche sie an – wie es keine aufgebrachte Tigerin besser könnte und sage: „Schleich di oafoch!“
Frau Krautundrübe