Im Fotouniversum

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Wenn ich geschätzt viertelstündlich aus dem Fenster blicke, sieht es immer anders aus, weil es einmal sonnig ist, dann wieder stürmisch und plötzlich wildes Schneetreiben herrscht. Vor lauter Klimawandel im Kopf – es ist einfach viel zu trocken und Regen ist dringend notwendig – vergesse ich auf das Aprilwetter, das sich meistens ab Mitte März unbarmherzig zeigt, bis es stabiler wärmer wird. Ich sitze zu Hause vor meinem PC mit Halsschmerzen, eine Lutschtablette zerkauend und nicht wissend, was ich mit meiner Zeit anfangen soll. Nach zweieinhalb Tagen im Bett schmerzt zwar nur mehr der Hals, aber die Konzentration zum wirklichen Arbeiten fehlt. Ein paar Mails werden noch beantwortet, dann nutze ich meine Unlust zum Löschen der 4367 Junkmails. Nach der Hälfte wird mir wieder langweilig und ich beginne die Fotos von meinem Handy auf den PC zu laden. Ich habe noch kein überzeugendes System gefunden, die vielen Fotos irgendwie zu sortieren, ohne, dass ich dafür viel Zeit brauche. Deshalb werden die 3674 Abbildungen in einem einzigen Ordner abgelegt und verschwinden langsam aber sicher im Fotouniversum.

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Meine erste Spiegelreflexkamera, eine Minolta, bekam ich zur Firmung geschenkt. In der Firma meines Vaters hatte ich Gelegenheit, die Filme mit seiner Hilfe S/W zu entwickeln. Ich fotografierte hauptsächlich meine Freundinnen und Freunde, an Naturaufnahmen war ich weniger interessiert. In weiterer Folge beschränkten sich die Aufnahmen auf Urlaube und auf die Arbeit, wo ich sehr viel fotografieren muss. Die zweite Spiegelreflexkamera erhielt ich zur Sponsion und es war eine Canon. Die Kamera war teuer und schwer, das Einlegen der Filme und das Wechseln der Objektive ein Ritual. Die Filme wurden zum Entwickeln ins Fotogeschäft gebracht und mit Spannung dort abgeholt. Das Durchschauen der Abzüge und der Diastreifen war wie Thanksgiving. Die Fotos wurden immer wieder angesehen, es wurde diskutiert, welche Aufnahme gut ist, wo man besonders vorteilhaft getroffen ist, die Dias wurden liebevoll beschriftet und begeistert den Eltern gezeigt, um dann in eine Diabox verräumt zu werden. Selten suche ich lange nach einem Foto, da sie nach einem einfachen System in Boxen geordnet sind.

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Die ersten Jahre mit Digitalkamera waren hingegen eine Katastrophe. Die Kamera war schlecht, die Qualität der Aufnahmen noch schlechter, nur dem bevorzugten Objekt war es nicht schwer, den Nimbus des Besonderen aufzudrücken. Die Krautundrübentochter hielt auf den Fotos allen technischen Gebrechen der beginnenden Digitalisierung stand, trotzdem gibt es nur wenige Fotos von den Digitalkameras und aus dieser Anfangszeit.

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Seit den letzten Jahren habe ich mein Handy immer dabei, das zwar gute Fotos macht, obwohl ich gar keinen Anspruch darauf erhebe, aber bei weitem nicht so gute Fotos wie das Handy der Rest-Krautundrüben-Family ( – ich sage hier bewusst DAS Handy, denn sie schwören alle auf dieselbe Marke). Das Handy liegt so leicht in der Hand und begleitet mich überall hin, oft ist die „Sicherheit“ ein Vorwand oder die „Erreichbarkeit“, wenn eines der Krautundrüben-Kinder dringend etwas benötigt – der Pubertier kommuniziert gerne mit mir zu jeder Tageszeit über das Handy , aber ich möchte schließlich auch nichts versäumen, was unbedingt festgehalten werden muss. Im Notfall kann man sich natürlich die Fotos schicken lassen oder in die Gruppe stellen. Das Fotografieren wird dabei immer mehr zur Nebensache. Blende, Position, Lichtverhältnisse und Winkel werden nebensächlich, da man mit dem Handy am besten mehrmals aus sämtlichen Positionen heraus abdrückt. Neben der ersten externen Festplatte gibt es bereits drei weitere externe Festplatten mit Sicherungskopien, wo es bis zum Jahr 2014 noch ein System mit beschrifteten Ordnern gab, die ab diesem Zeitpunkt – abgesehen von den Urlaubsfotos, die nun auch schon mehrheitlich mit dem Handy geschossen werden – wenn überhaupt, dann einen Jahresordner erhalten. Alles um den Augenblick festzuhalten? Ist das Festhalten und Speichern des Augenblicks nicht eine angeborene Gabe der Erinnerung und muss nicht dem Vergessen entrissen werden?

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Ein zurück zum alten Fotografieren ist nicht in Aussicht, obwohl die Handyfotografie keinen Ersatz darstellt. Ich habe nicht verlernt, meine Umgebung zu sehen und die Bilder innerlich zu speichern. Außerdem übe ich den Augenblick des bewussten Sehens ins Weite zu strecken.

 

Frau Krautundrübe

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